Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wieder einmal ist es das Video auf einem Mobiltelefon, das einen Moment, in dem Geschichte geschrieben wird, festhält. Libyens ehemaliger Diktator Muammar Gaddafi wurde auf der Flucht entdeckt, gestellt und unter bis dato noch nicht ganz klaren Umständen erschossen. Kämpfer des Übergangsrates hielten diese Minuten auf ihren Handys fest und lieferten die Bilder, die am Freitag um die Welt gingen. Sie stehen in gewisser Weise für die Geschichte Libyens unter Gaddafi: blutig, grausam und verwirrend. Aber abseits ihres Inhaltes, immerhin der Tod eines Menschen, stellt sich immer sofort die Frage der Authentizität. Doch es ist es gerade die Amateurhaftigkeit der Aufnahmen, die sie besonders authentisch machen. Hier wird gewackelt, das Bild wird unscharf und wieder scharf, es wird gelaufen, gezerrt und geschrien. Gerade einmal auf wenigen Kadern des Standbildes ist das blutige Gesicht des Diktators zu erkennen. Ob er schon tot ist, verwundet oder nicht, lässt sich nicht sagen. Die Frage, ob man diese Bilder veröffentlichen soll, stellt sich nicht. Moralische Bedenken greifen bekanntlich wenig, wenn sich die Ereignisse überschlagen. Denn diese Bilder sind letztlich die Beweise, auf die die Welt gewartet hat. Nicht nur auf den arabischen Sendern laufen sie rauf und runter - auf der ganzen Welt kann man sie sehen. So etwas kann man kaum nachstellen, schon gar nicht in kurzer Zeit. Bis zum Ergebnis der DNA-Tests, die ihre Zeit dauern, müssen sie reichen.