Am Weltflüchtlingstag wird zurückgeschossen.
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Heute ist Weltflüchtlingstag. Das ist der von der UNO ausgerufene internationale Gedenktag, der Flüchtlingen, Asylsuchenden, Binnenvertriebenen und Staatenlosen auf der ganzen Welt gewidmet ist. Er fällt heuer in eine Zeit, in der die Zahl der Asylsuchenden auf einen neuen Höchststand, der Umgang mit ihnen aber auf einen neuen Tiefststand zusteuert. Etwa hierzulande.
Der politische Umgang bewegt sich derzeit bekanntlich zwischen Zeltlagern und Asylverfahrenstopp. Diskurspolitisch sind (um im Bild zu bleiben) alle Schleusen geöffnet: von der Asylmafia über die Schlepperindustrie, die Asylflut, den Asylexpress bis zum Flüchtlings-Tsunami ergießt sich die ganze Ladung einer Katastrophen-Bilderflut. (Den einsamen Höhepunkt lieferte die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein, die meinte, man solle Flüchtlinge zukünftig mit Herkulesmaschinen abschieben. Die seien so laut, da können sie "so laut schreien, wie sie wollen".)
Die FPÖ-Terminologie gibt längst auch in der ÖVP den Ton an. Bildpolitisch aber hat sie noch die Nase vorn - die FPÖ. Etwa mit ihrer unnachahmlichen Aktion in Erdberg, wo sie für einen Fototermin die ankommenden Flüchtlinge mit ihren telegenen "NEIN zum Asylantenheim"-Schildern begrüßten.
Nun aber hat die Wiener Filmemacherin Ruth Beckermann bildpolitisch zurück geschossen. Ihre Videoinstallation "The missing image" - die das Wiener Hrdlicka Denkmal des "straßenwaschenden Juden" um das fehlende Bild der damaligen Zuschauer ergänzt -, diese Videoinstallation hat sie adaptiert. 24 Stunden lang, von Donnerstag 21 Uhr bis Freitag 21 Uhr, konnte man am Wiener Albertinaplatz die Bildaktion der Freiheitlichen sehen. Teilnehmer um Teilnehmer wurde die Erdberger Szene vor dem Asylantenheim zerlegt und einem Perspektivenwechsel unterzogen. Nun sah man das freiheitliche Empfangskomitee aus der Perspektive der Ankommenden: Was sieht der Asylant nach monatelanger Flucht? Was sah das Kind, das vor dem Krieg in Syrien floh? 20 FPler, die ihnen ihr "Nein" entgegenhielten. "Deja vu" hieß die Aktion.
In diesen Tagen findet noch eine andere Kunstaktion in diesem Zusammenhang statt. In Berlin. Diese "ergänzt" die Wiener Aktion in einem gewissen Sinne. Geht es beim Wiener Mahnmal um den Umgang mit den Lebenden, so geht es in Berlin um jenen mit den Toten. Die aktivistische Theatergruppe "Zentrum für politische Schönheit" hat zehn Tote aus einem Kühlhaus in Sizilien - wo die in Müllsäcke verpackten Leichen gestapelt werden - exhumiert und nach Berlin gebracht. "Die Toten kommen" heißt die ebenso umstrittene wie viel beachtete Aktion. In Berlin sollen sie nun beerdigt werden. "Wir müssen die Toten sehen", meinen die Theateraktivisten. "Ihre letzte Ruhestatt soll unsere politische Unruhe werden." Denn sie seien nur gestorben, weil das reiche Europa alle sicheren Wege gesperrt, alle Landesgrenzen abgeriegelt habe und ihnen nur der gefährliche Meerweg blieb. Morgen, Sonntag, soll mit Baggern der Friedhof der "Unbekannten Einwanderer" ausgehoben werden - direkt vor dem Berliner Kanzleramt.
Am Weltflüchtlingstag, dem Tag, der den Hoffnungen und Sehnsüchten der Flüchtlinge nach einem besseren Leben gewidmet ist, sehen wir uns mit diesen Bildern der Flüchtlingsrealität konfrontiert.