Tegucigalpa - In Honduras scheinen die Uhren anders zu gehen. In den Zeitungen des mittelamerikanischen Landes finden sich manchmal mehrere Wochen alte Agenturmeldungen, die Ereignisse ankündigen, die schon längst geschehen sind. Doch die meisten Hondurenser haben damit kein Problem, denn sie lesen gar keine Zeitung.
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Mehr als 40 Prozent der fast sieben Millionen Einwohner des Landes sind Analphabeten. Das soll sich ändern. Die Kandidaten, die bei den Präsidentenwahlen am Sonntag antreten, haben das Thema Bildung an die erste Stelle ihrer politischen Prioritätenliste gesetzt. Mehr und bessere Schulen sollen allen Hondurensern das Lesen und Schreiben lehren; besser ausgebildete Arbeitskräfte sollen einen wirtschaftlichen Aufschwung möglich machen, der das traditionell vom Kaffee- und Bananenexport lebende Land aus der bitteren Armut führt. Mit dem Parlamentspräsidenten Rafael Pineda Ponce, dem Kandidaten der regierenden Liberalen Partei, präsentiert sich den Wählern sogar ein leibhaftiger Lehrer. "Ich möchte als der Präsident der Erziehung in die Geschichte meines Landes eingehen", sagt Pineda. Ginge es nach den zuletzt veröffentlichten Umfragen, dürfte der frühere Schulmeister aber gegenüber einem jüngeren Kandidaten das Nachsehen haben: dem Unternehmer Ricardo Maduro (53) von der leicht rechts von den Liberalen stehenden Nationalen Partei. Seine Ziele klingen ähnlich. "Das langfristige wirtschaftliche Überleben eines Landes hängt von gut ausgebildeten Arbeitskräften ab", sagt Maduro.
Liberale und Nationale sind seit dem 19. Jahrhundert die dominierenden politischen Kräfte in Honduras. Beide haben eine große Zahl von Stammwählern, die ihnen von der Wiege bis zur Bahre treu sind.