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Bildung, Bewegung, Beziehung

Von Heiner Boberski

Wissen
Besonders fruchtbar ist es, wenn verschiedene Generationen Lernerfahrungen teilen.
© Corbis/Marcel Steger

Lebenslanges Lernen trägt entscheidend zum Wohlbefinden im Alter bei.


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Wien. Lernen, Laufen und Lieben sind Schlagworte, die oft mit einem gesunden Alter in Verbindung gebracht werden, und das mit Recht. Wie entscheidend es für das Wohlbefinden ist, sich auch jenseits des Pensionseintrittsalters zu bilden, zu bewegen und in positiv empfundenen Beziehungen zu leben, bestätigten Experten aus dem In- und Ausland bei einem Workshop der Arbeitsgemeinschaft Bildung und Ausbildung der Österreichischen Forschungsgemeinschaft in Wien.

Die Titelfrage "Bildung im Alter: Luxus oder Notwendigkeit?" beantwortete Sozialminister Rudolf Hundstorfer bei der Eröffnung gleich klar mit "Schlicht eine Notwendigkeit". Die Psychologin Christiane Spiel wies als Tagungsleiterin auf brennende Herausforderungen bei diesem Thema hin: die immer schwieriger werdende Finanzierung des Pensions- und Gesundheitssystems sowie die Erhöhung der Selbstständigkeit - und damit der Lebensqualität - älterer Menschen. Zugleich gelte es, mit niedrigschwelligen Angeboten auch Personen zu erreichen, denen Bildung in jüngeren Jahren wenig bedeutet hat. Sonst öffne Bildung im Alter die bestehende "Schere" noch mehr: Nur jene, die schon ein hohes Maß an Bildung haben, machen davon Gebrauch.

Dabei könne jeder von Bildungsangeboten profitieren, betonte Matthias Kliegel, Professor für Kognitives Altern an der Universität Genf: "Es gibt keine Gruppe, die nicht lernen kann." Lernen lohne sich in jedem Alter, es sei in Verbindung mit körperlicher Aktivität die beste Voraussetzung für das Erhalten und Verbessern individueller Unabhängigkeit, für Arbeitsfähigkeit und Gesundheit. Im Erwerbsalter habe Weiterbildung zweifellos Beschäftigungseffekte, sagte der Wiener Soziologe Franz Kolland.

Der Heidelberger Gerontologe Andreas Kruse wies auf beeindruckende Bildungserfolge bei über 70 Jahre alten Menschen mit Down-Syndrom hin: Gingen vorher 80 Prozent ihrer Aktivitäten vom Pflegepersonal aus, waren es danach nur 25 Prozent. Kruse hob die intergenerationelle Perspektive von Lernen hervor: Sein Institut übernimmt nur Aufträge von Unternehmen, wenn dabei alle Altersgruppen einbezogen werden, davon hätten sowohl die Alten als auch die Jungen mehr.

Für Kruse geht es beim Lernen im Alter vor allem um die Chance zur Selbstgestaltung: "Das zentrale Motiv des Menschen ist nicht Bedürfnisbefriedigung, sondern der Wunsch, sich selbst als kompetent zu erleben." Man will nicht abhängig von anderen sein, sondern vielmehr spüren, dass man gebraucht wird. Der Mensch finde Freude und Erfüllung vor allem in einer emotional tiefen Begegnung mit anderen Menschen.

Ökonomische Aspekte

Der Wirtschaftsforscher Helmut Kramer sieht in Österreich ein latentes Generationsproblem, wenn die ständig steigenden Pensionen den Jungen aufgehalst werden, da sei Bildung im Alter "eine schöne Zielvorstellung, löst aber unsere Probleme nicht". Tom Schuller, Experte für die Zukunft des lebenslangen Lernens in London, erwartet, dass von den Bildungsausgaben, die jetzt in Großbritannien zu 86 Prozent Personen bis zum 25. Lebensjahr zugutekommen, künftig mehr Geld an ältere Menschen fließen wird. Das habe - abgesehen von allen anderen Vorteilen - einen rein ökonomischen Aspekt. Durch Bildung lässt sich der Eintritt von Menschen ins Pflegestadium hinausschieben, damit seien pro Kopf und Monat umgerechnet etwa 400 bis 800 Euro einsparbar.

Das Thema "Weisheit als Paradebeispiel lebenslangen nicht-institutionellen Lernens aus dem Leben selbst" sprach die Klagenfurter Psychologin Judith Glück an. Sie nannte fünf Ressourcen für "Weisheitsbildung": Selbstwirksamkeit (sich etwas zutrauen), Offenheit (für Neues und andere), Reflektivität (wie Humor), Emotionsregulation (Unterdrücken negativer Gefühle) und Empathie (Mitgefühl). Diese Ressourcen nehmen zum Teil im Alter ab, zum Teil aber auch zu. Bildung könne die Kompensation altersbedingter Verluste erleichtern.

Jeder Mensch sei anders, hatte zuvor schon Matthias Kliegel betont: "Oft gibt es zwischen 80-Jährigen untereinander größere Unterschiede als zwischen 80-Jährigen und 20-Jährigen."