Zum Hauptinhalt springen

"Bildung nicht konsensfähig"

Von Peter Wötzl

Politik

Kein Kompromiss, aber erstmals ein Neujahrsempfang von Rot und Schwarz. | 2011 soll "Jahr der Bildung" werden. | Wien. Der Regierung gelingt momentan ein besonderer Spagat. In wichtigen politischen Feldern, wie Bildung und Gesundheit, liegen SPÖ und ÖVP weit auseinander. Das ist der Blick nach innen. Nach außen hin gibt sich die Regierungsspitze, Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Josef Pröll, aber harmonisch.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Freundliches Lächeln beim Ministerrat, das Klima sei gut, wurde betont und ins neue Politjahr wolle man erstmals gemeinsam starten. Die Koalition wird am 19. Jänner 2011 zu einem Neujahrsempfang in den Festsaal der Wiener Hofburg laden.

Kein Schwenk der SPÖ zu Studiengebühren

Die inhaltlichen Turbulenzen wurden am Dienstag dennoch öffentlich zelebriert: Zunächst einmal verpasste SPÖ-Chef Werner Faymann dem vermeintlichen Schwenk seiner Partei in Sachen Studiengebühren gleich einmal einen "Gegenschwenk". Das Nein der SPÖ zu Uni-Gebühren wurde von ihm im Pressefoyer nach dem Ministerrat einzementiert. "Es braucht keine Studiengebühren. Für die Sozialdemokratie ist ein freier Zugang zu den Universitäten ein zentrales Thema. Das bleibt auch so", machte Faymann klar. Und das Nein soll auch über 2013 hinaus gelten, so Faymann weiter.

Über gewisse Regelvorgaben beim Zugang zu den Universitäten könne man aber reden. 2008 hatte die SPÖ ja nur wenige Tage vor der Nationalratswahl die Studiengebühren mit den Stimmen von Grünen und FPÖ abgeschafft.

Die jüngsten Wortmeldungen der SPÖ-Landeshauptleute, die teilweise für sozial gestaffelte Studiengebühren plädierten, wertete Faymann eher als Anstoß für eine Debatte über das österreichische Stipendiensystem. Hier könne man sicher darüber reden, wie dieses gerechter gestaltet werden kann.

Ein klares Nein zur Einführung von Studiengebühren kam am Dienstag auch von Unterrichtsministerin Claudia Schmied. Sie verwies vor dem Ministerrat auf einen entsprechenden Parteitagsbeschluss: "Solange die Parteilinie so ist, halte ich mich eisern daran." Dass die roten Landeshauptleute neuerdings trotz des Parteitagsbeschlusses der Einführung von Studiengebühren durchaus das Wort redeten, habe sie auch "ein bisschen überrascht".

Diskussionsauslöser, der Wiener Bürgermeister Michael Häupl, erklärte gegenüber der "Wiener Zeitung", dass es keine sozialen Zugangsbarrieren zu den Universitäten geben dürfe. "Ein Studium darf nicht zum Privileg werden." Deswegen will Häupl eine Reform des Stipendien-Systems. "Einen alten wärmenden Mantel zieht man erst aus, wenn man einen neuen, besseren Mantel hat", meinte er in diesem Zusammenhang. Dass der Anteil der Studierenden aus der Arbeiterschaft seit seiner Studienzeit gleichgeblieben ist, sei der Beweis für den Reformbedarf.

Der Tiroler SPÖ-Chef Hannes Gschwentner hat sich am Dienstag in der Diskussion um eine Wiedereinführung der Studiengebühren grundsätzlich diskussionsbereit gezeigt. Gleichzeitig mahnte er aber einen barrierefreien Hochschulzugang ein. Dieser könne beispielsweise mit einem entsprechenden Stipendiensystem erreicht werden.

Pröll: "Gebührensind gerechter"

Dass sich die ÖVP für die Wiedereinführung von Studiengebühren ausspricht, machte Parteichef und Vizekanzler Josef Pröll klar: "Das unterscheidet uns von der SPÖ. Ich halte Studiengebühren für gerechter. Nur Masse an den Unis bringt uns nicht weiter. Aber das halte ich derzeit nicht für konsensfähig", sagte Pröll.

Von einem allfälligen Abtausch im Bildungsbereich, wonach die SPÖ Studiengebühren zulassen und die ÖVP im Gegenzug bei der Gesamtschule einlenken könnte, wollten sowohl Faymann ("Keinen Kuhhandel") als auch Pröll nichts wissen.

Trotz der inhaltlichen Diskrepanzen haben die rot-schwarzen Koalitionspartner das Jahr 2011 zum Jahr der Bildung ausgerufen und wollen versuchen, doch noch einen "Kompromiss" sowohl im Schulbereich als auch bei den Universitäten zu finden. So soll in den ersten drei Monaten des neuen Jahres mit den Unis über eine Studienplatzbewirtschaftung geredet werden, sagte Faymann.

Pröll verwies gleichzeitig auf das ÖVP-Bildungskonzept, das in den nächsten Wochen vorgelegt werden soll. Daran werde derzeit mit Hochdruck gearbeitet. Das Motto lautet "Leistung - Sprache - Vielfalt". Pröll: "Aus den Ergebnissen von Pisa müssen klare Lehren gezogen werden. Wir müssen auch weg von gewerkschaftlichen Interessen."

Drängen auf Lösungbei Universitätszugang

Wissenschaftsministerin Beatrix Karl drängt indes auf eine "rasche Lösung" in Sachen Universitätszugang. Da in der kommenden Woche entgegen ursprünglichen Plänen kein Ministerrat mehr ist, kann ihre Anfang Dezember vorgelegte Novelle zum Universitätsgesetz (UG) nicht mehr vor Weihnachten von der Regierung beschlossen werden.

Die Begutachtungsfrist für die Novelle, mit der die Möglichkeit für Zulassungsbeschränkungen in überlaufenen Fächern geschaffen werden sollte, war extra vom 10. auf den 20. Dezember verlängert worden, um die Gesetzesänderung am 21. Dezember im Ministerrat beschließen und im Nationalrat gleich dem Ausschuss zuweisen zu können. Mangels Ministerrats fällt diese Möglichkeit nun aber aus. Damit kann die Novelle frühestens im Jänner in den Ausschuss kommen und erst am 1. März verabschiedet werden.

Stabilitätspakt biszum April verschoben

Bei den Verhandlungen mit den Ländern um einen neuen Stabilitätspakt scheint das Tempo indes gebremst worden zu sein. Der Pakt legt die Defizitgrenzen für die Länder fest. Ursprünglich hieß es, noch im Dezember soll es zu einem Abschluss kommen.

Für Pröll besteht jetzt aber "kein unmittelbarer Zeitdruck". Er verwies darauf, dass der aktualisierte Budgetpfad erst bis kommenden April an die EU-Kommission gemeldet werden muss. Ein Zeitpuffer, der offenbar genutzt wird.

Wissen

Wie hoch sind die Studiengebühren?

Derzeit 363,36 Euro pro Semester.

Wer zahlt Studiengebühren?

Im Wintersemester 2009 zahlten knapp 41.000 Studenten (von rund 274.000) Gebühren. Befreit sind Österreicher und EU-Bürger, die innerhalb der Mindeststudiendauer plus einer Toleranzzeit von zwei Semestern studieren.

Schrecken Studiengebühren ab?

Nach Einführung der Gebühren Oktober 2001 sank die Zahl der Studenten um 20 Prozent, jene der Studienanfänger um rund 14 Prozent. Bereits 2003 gab es wieder genauso viele Studienanfänger wie vor der Einführung. 2004 wurde bereits ein neuer Rekord vermeldet.

Haben Gebühren Auswirkungen auf die soziale Zusammensetzung?

2001/02 zeigte sich keine Veränderung. Zu einer besseren Durchmischung haben die Gebühren aber ebenfalls nicht geführt. Nach wie vor sind an den Unis Akademikerkinder zweieinhalb Mal öfter vertreten als solche aus bildungsfernen Schichten.