Kommt’s in der Schule nur auf die Prozente der Gesamtschulverbreitung - 15 oder mehr - in Zukunft an?
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Sehr heftig wird um die Entscheidung gerungen, wieviel Prozent der Schulstandorte und Schüler in einem Bundesland in eine Gesamtschul-Modellregion eingebunden werden dürfen. Warum ist der Verfassungstext zur Bildungsreform, in dem unter anderem die verschiedenen Standpunkte aufeinanderprallen - Grüne und SPÖ wollen mehr als 15 Prozent, die ÖVP beharrt auf dieser Obergrenze -, zu einem so heißen Eisen geworden?
Die Demokratie "provoziert" eben - nicht nur im Bildungswesen - verschiedene ideale Wirklichkeiten. Die Diversität wird ja auch in der Natur- und Migrationspolitik hochgeschätzt. Natürlich dürfen Schule, Natur und ethnisch-soziale Zusammensetzungen nicht bloß gleichgesetzt werden. Aber je uniformer die Natur wird (Stichwort Artensterben), desto ärmer ist sie. Wenn im gesellschaftlichen Leben nur eine Denk- und Handlungsrichtung gälte, fehlten aus der Vielfalt gewonnene Potenziale des Schöpferischen. Aus der Geschichte könnte entgegengehalten werden, dass Vielvölkerstaaten wie die Donaumonarchie diese Spannungen nicht aushielten. Umgekehrt wäre die Diversität eine Argumentationslinie für eine Schule ohne innere Differenzierung. Grundsätzlich könnte dem widersprochen werden, dass gutes Lernen nicht zu große Unterschiede, wie divergierende Sprachkenntnisse, bündeln könne und Bayern München eben in der Bundesliga, aber nicht in der vierten oder dritten deutschen Liga spiele.
Kommt es in bildungstheoretischen Überlegungen nur auf den Schultyp an? "Lernen ist bei uns negativ besetzt", sagt die Bildungspsychologin Christiane Spiel. "Das heißt: Viele Positionen in der Wirtschaft können später nicht besetzt werden. Aber es geht ja nicht nur um die Berufschancen des Individuums: Kaum jemand bedenkt, dass man die vielen jungen Arbeitslosen mit schlechten Qualifikationen auch erhalten muss." Die Summe Jugendlicher ohne Berufsausbildung oder Schulabschluss nimmt zu. Ist dafür nur der Schultyp verantwortlich, wenn hinzugefügt werden darf, dass wir in Mitteleuropa zu zwei Dritteln in einer Wohlstands- und Konsumgesellschaft leben? Ganz klein wird noch ergänzt, dass "früher" Kinder zu Hause, im Handwerk oder in der Landwirtschaft mitarbeiten mussten.
Die Vergangenheit als erstrebenswert hinzustellen, ist zu einfach, dennoch ist zu fragen, ob nicht die Zukunft nur bewältigbar ist, wenn jede Schülerin und jeder Schüler sich anstrengt, ohne das Leistungsprinzip zu übertreiben, aber in Ansehung seiner Begabungen, seines guten Willens und in Anerkennung, dass die Freude und die Unverplantheit zur Kindheit und Jugend unbedingt dazugehören. Der Schweizer Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi fasste diese Forderung so zusammen: Der Mensch ist auch das Werk seiner selbst, nicht nur seiner Natur und der Gesellschaft.
Auch wenn der Vergleich von Systemen eine schwierige Herausforderung ist, fordert der US-Zukunftsforscher John Naisbitt, dass man bedenken müsse: "Ob uns das gefällt oder nicht, die Asiaten sind wissenshungriger, sie haben eine viel ehrgeizigere Arbeitsbevölkerung." Wie lassen sich die guten europäischen Eigenschaften und Werte (Aufklärung, Bekenntnis zu Frieden, Menschenrechten, sozialem und ökologischem Fortschritt) mit asiatischem Fleiß und Innovationswillen kultivieren? Zusatzfrage: Wo werden die meisten Roboter gegenwärtig erzeugt?