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Bildungsarmut

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Mit diesem Wort könnte auch der bisherige Wahlkampf beschrieben werden, doch in Wahrheit wird damit eines der drängendsten Probleme Europas beschrieben. Drei Viertel der arbeitslosen Jugendlichen in Wien haben bloß ihre Schulpflicht absolviert, aber keine weiterführende Qualifikation erworben. In Deutschland sind die Zahlen ähnlich trist. Und diese beiden Länder haben insgesamt noch großartige Arbeitsmarktdaten im Vergleich zu den südeuropäischen Staaten.

Warum das Thema nicht stärker aufgegriffen wird, hat vermutlich mit einer feststellbaren Unlust der Politiker zu tun, sich detailliert mit Themen auseinanderzusetzen. So manche Erkenntnis wird verdrängt, weil die daraufhin folgende Veränderung als zu mühsam betrachtet wird.

Jugendliche ohne Ausbildung kommen überwältigend aus Elternhäusern mit geringem Einkommen und ebenso schlechter Ausbildung. Die soziale Undurchlässigkeit des Bildungssystems ist also ein Faktor. Um diese Elitenbildung zu durchbrechen, wäre eine gemeinsame und ganztägige Schule hilfreich - das Schulsystem als solches stünde zur Disposition.

Die Volkspartei will das aber nicht, derartige Ideen werden als "Zwang" abgetan - ein absurdes Argument. Und die Sozialdemokratie verhält sich bei diesem Thema auffallend passiv, was
sie für viele Jungwähler ebenfalls unattraktiv macht.

In der kommenden Legislaturperiode sollten viele Veränderungen in der Republik stattfinden, das Heben des allgemeinen Bildungsniveaus gehört sicher ganz vorne dazu. Als Leitfaden könnte übrigens das Papier vom Februar 2011 dienen, als in einem Bildungsdialog die Sozialpartner mit den Ministerinnen Claudia Schmied und Beatrix Karl (damals noch für Universitäten zuständig) zwölf Punkte vereinbarten. Einer davon lautet: Ausbau der ganztägigen Schulangebote mit gezielter Förderung.

Zweieinhalb Jahre später ist davon nichts zu sehen. Gut sichtbar sind allerdings die Auswirkungen der Untätigkeit: In diesem Zeitraum ist die Jugendarbeitslosigkeit von 8,3 auf nunmehr 9,2 Prozent gestiegen. Und diesen Jugendlichen hilft die Aussage, in anderen Ländern sei es noch viel schlimmer, exakt null. Sie zahlen die Zeche einer im wahrsten Sinn des Wortes bildungsarmen Politik.