Bildungsoffensive war gestern das von den Grünen eingebrachte Thema einer Sondersitzung des Nationalrates. Grünen-Chef Alexander Van der Bellen, der den Dringlichen Antrag einbrachte, rechnete vor, dass die Ausgaben für Bildung und Forschung zwar nominell steigen, aber gemessen am Bruttoinlandsprodukt zurückgehen. Bildungsministerin Elisabeth Gehrer forderte Van der Bellen auf, das Budget richtig zu lesen: 109 Mrd. Schilling würden für Bildung ausgegeben.
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"Während die Regierung vom Bundeskanzler abwärts von einer angeblichen Offensive im Bildungsbereich spricht, sprechen die Budgetzahlen, die Finanzminister Grasser letzte Woche dem Parlament vorgelegt hat, eine andere Sprache. Tatsächlich reichen die im Budget 2002 enthaltenen Finanzmittel nicht einmal aus, um den Status quo an den Schulen und Universitäten aufrecht zu erhalten." Sowohl an den Schulen als auch an den Universitäten drohe ein Abbau von Dienstposten. "An den Schulen und Universitäten kocht der Zorn", heißt es im Antrag der Grünen.
Gehrer forderte Van der Bellen auf, das Budget richtig zu lesen. 109 Mrd. Schilling stünden für Bildung zur Verfügung, "das ist so viel wie wir an Zinsen für die Schulden zu zahlen haben". Im übrigen sei das gesamte Budget gemessen am BIP zurückgegangen, "weil wir sparsamer umgehen". Die Bildungsministerin warnte vor Verunsicherung der Lehrer, Schüler und Eltern. So etwa sei das Lehrer-Schüler-Verhältnis in Wiens Pflichtschulen 1:10. "Das ist europaweit Spitze."
Auch die Kritik an den Universitäten ließ Gehrer nicht gelten: Anstatt einer geschlossenen Uni-Laufbahn mehr Durchlässigkeit mit Qualitätsevaluierung.
Das erste Ziel der Bundesregierung sei die Budgetkonsolidierung gewesen, "jetzt kommen die wichtigen Reformen mit Schwerpunktsetzung", betonte Gehrer. Erster Schwerpunkt sei der Beschluss des Kinderbetreuungsgeldes gewesen mit einem Mehraufwand von 9 Mrd. Schilling, der zweite Schwerpunkt sei Bildung mit Mehrausgaben von 8 Mrd. Schilling, dritter Schwerpunkt sei die Forschung mit 7 Mrd. Schilling Mehrausgaben. "Die Bildungsoffensive findet statt, auch wenn es Professor Van der Bellen nicht bemerkt", konterte Gehrer.
Der Grüne Abg. Dieter Brosz warf Gehrer vor, sich "die Bildungspolitik der Herren Westenthaler, Schweizer und Grasser aufoktroyieren" zu lassen. Es werde keineswegs alles aufrecht erhalten. Vor allem bei den ländlichen Kleinschulen werde der Sparstift angesetzt . "Gehen sie an die Schulen, schauen sie sich´s an", forderte Brosz die Bildungsministern auf.
Auch SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer glaubt, dass Gehrer sich von der FPÖ-Bildungspolitik beeindrucken habe lassen. Sie sollte aber "Anwältin der Bildung nicht Handlangerin des Bildungsabbaus" sein. Gusenbauer kritisierte, dass Schüler in HTLs keine Plätze bekommen, dass Lehrer unter Druck gesetzt würden. Reiche Gesellschaften würden in Zukunft nur solche sein, die einen Großteil ihrer Jugend mit hochwertiger Bildung versorgen. Gusenbauer verwies auf die Errungenschaften sozialdemokratischer Bildungspolitik mit Gratiszugang. Diesen Gratiszugang zu Bildung sollte auch den Generationen der Zukunft gegeben werden.
ÖVP-Abg. Gertrude Brinek verwies ebenfalls darauf, dass das Bildungsbudget das höchste, je erreichte Niveau habe. Van der Bellen warf sie vor, bewusst mit falschen Zahlen zu agieren. Die "Teilzeit-Uni-Assistentin" verteidigte vor allem die Universitätsreform und das neue Dienstrecht, das seit 15. Dezember in Verhandlung stehe. Die Universitätslehrer sollten das Angebot der Regierung zu einem ernsthaften Dialog annehmen. Mehr Flexibilität und Durchlässigkeit sei notwendig.