Die Ergebnisse der PISA-Studie bringen nicht nur österreichische Bildungspolitiker zum Nachdenken. Zukunftsweisende Antworten auf komplexe Fragen wie "Was kann das Bildungswesen zur Förderung wissenschaftlicher Durchbrüche beitragen?" müssen auf nationaler und europäischer Ebene gefunden werden. Beim Formulieren dieser - oftmals innovativen - Antworten vergisst man jedoch sehr leicht auf die Schattenseite von Innovation, die wachsende soziale Benachteiligung.
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Was kann Innovationspolitik und was kann sie nicht?
Erfolgreiche Innovationspolitik kann die Entwicklung spezifischer Fähigkeiten zur Anpassung an den dynamischen Wandel fördern und insgesamt die wirtschaftliche Entwicklung verbessern. Sie hat jedoch auch negative Auswirkungen, da sie gleichzeitig Ungleichheiten, vor allem in sozialer und regionaler Hinsicht, verstärkt. Die Bildungspolitik ist gefordert, derartige Ungleichheiten durch geeignete Mechanismen zu kompensieren.
Warum soziale Benachteiligung?
Die Gründe für soziale Benachteiligung sind vielfältig und erstrecken sich vom Digital Divide über Alter, Krankheit, Behinderung bis zur Zugehörigkeit zu ethnischen Minderheiten und sozialer Unangepasstheit von Jugendlichen. Dem steigenden Wettbewerbsdruck in Zeiten der Globalisierung und des dynamischen technischen Wandels kommt in diesem Zusammenhang gleichfalls eine besondere Bedeutung zu. In der Europäischen Politik wird daher richtigerweise davon ausgegangen, dass der Gefahr sozialer Spaltung und Ausgrenzung entgegengewirkt werden muss.
Schwachstellen im österreichischen Bildungssystem?
Im österreichischen Bildungssystem wirken neben integrativen Mechanismen auch ausgrenzende Mechanismen, die sich durch noch so gute Systemlösungen schwer vermeiden lassen. Immer noch erwerben beispielsweise bis zu 15 Prozent eines Jahrganges von Jugendlichen keine ausreichenden Basiskompetenzen, um sich im zukünftigen Wettbewerb erfolgreich zu behaupten.
Gerade deshalb sollte in Österreich neben der präventiven Komponente einer insgesamt integrativen Bildungspolitik auch die kurative Komponente stärkere Berücksichtigung finden. Bildungspolitiker sehen sich nicht gerne mit der Tatsache konfrontiert, dass ihre Bemühungen unweigerlich auch mit unangenehmen Nebenfolgen sozialer Benachteiligung verbunden sind. Es wäre aber dringend nötig, auch kurative Maßnahmen stärker in das Bildungswesen zu integrieren, und vor allem die Zusammenarbeit mit der Arbeitsmarktpolitik zu intensivieren.
Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik
Auf nationaler und internationaler Ebene haben zahlreiche wissenschaftliche Evaluierungen arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen gezeigt, dass punktuelle, kurze und breit gestreute Maßnahmen nach dem "bewährten" Gießkannenprinzip im Allgemeinen keine oder schwer nachweisbare Wirkungen haben. Wirksam sind hingegen massive Interventionen, die auch das soziale Umfeld berücksichtigen. Die gegenwärtige Praxis der österreichischen Arbeitsmarktpolitik wird diesen Ergebnissen jedoch nicht unbedingt gerecht. Es scheint sich unter Sparsamkeitsgesichtspunkten eher eine gegenteilige Entwicklung durchzusetzen. Intensive Interventionen zur nachhaltigen Unterstützung von ausgegrenzten Zielgruppen kommen unter die Räder und eher breitgestreute extensive Maßnahmen werden verstärkt.
Die österreichischen Bildungspolitiker sollten daher beim Formulieren von Antworten auf Fragen wie "Was kann das Bildungswesen zur Förderung von wissenschaftlichen Durchbrüchen beitragen?" mehrdimensional vorgehen und neben der notwendigen Förderung von Innovation auch die Gefahr sozialer Benachteiligung berücksichtigen.