Ein Forschungsprojekt beschäftigt sich mit der Idee einer Straßenbahn ohne Fahrer von Liesing bis Perchtoldsdorf.
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Wien. Fast täglich berichtet der Verkehrsfunk über frühmorgendliche Staus an der südlichen Stadtgrenze zwischen Mödling und Liesing. Eine Straßenbahn auf Abruf, die rund um die Uhr genau dann kommt, wenn man sie braucht, soll dem in Zukunft Abhilfe schaffen. Wie ein elektrisch betriebener, waagrechter Lift mit leichten, fahrerlosen Kabinen, soll sie den Verkehr zwischen Rodaun, Perchtoldsdorf und Mödling auf der Trasse der im Jahr 2012 aufgelassenen Kaltenleutgebener Bahn in den nächsten Jahren auf Schiene bringen.
Noch existiert die Idee der "Tram on demand" aber nur auf dem Reißbrett. Hinter der Vision steckt ein Forschungsprojekt der Mobilitätskooperative Region Mödling rund um den grünen Perchtoldsdorfer Gemeinderat Christian Apl und Ingenieurin Karin Mairitsch. "Es könnte ein Leuchtturmprojekt werden", ist Apl vom Konzept der "Bim auf Knopfdruck" überzeugt. Die Entscheidung über die Forschungsförderung wird schon Anfang nächsten Jahres, bis Jänner 2015, erwartet. Dann soll eine Machbarkeitsstudie mit den rechtlichen, technischen, planerischen und finanziellen Rahmenbedingungen ausgearbeitet werden. Besonders die Finanzierung ist eine Herausforderung. Geht es nach den Initiatoren, soll sich die "Tram on demand" später über EU, Bund, Land und Gemeinden sowie über Crowdfunding finanzieren. Was die Umsetzung kosten wird, ist noch unklar. Durch den Verzicht auf Fahrpersonal sollen die Betriebskosten langfristig aber niedriger sein als der herkömmliche Bus- oder Straßenbahnverkehr.
Die Online-Petition von "Tram on demand" hat derzeit 900 Unterstützer. Doch das Projekt ruft auch Kritiker auf den Plan. "Bürgerinnen sorgen sich etwa um ihre Sicherheit in führerlosen Kabinen, Anrainer um möglichen Betriebslärm auf der Trasse", sagt Mairitsch. Aber auch die Verkehrssicherheit der "Bim on demand" wird hinterfragt, da sie auf ihrer Strecke mehrere unbeschrankte Bahnübergänge kreuzen müsste. Ein anderer Einwand ist, ob man durch den eingleisigen Betrieb nicht zu lange auf die Kabinen werde warten müssen.
Machbarkeitsstudie mit Einbindung der Bürger
All diese Fragen zur praktischen Umsetzung würden in der Machbarkeitsstudie berücksichtigt, in die auch die Anliegen und Bedürfnisse der Bürger eingebunden werden, so Verkehrsexperte Harald Frey vom Institut für Verkehrswissenschaften der TU Wien, das mit dem Projekt kooperiert. Für die Sicherheit in und um die Kabinen könnten bis zum geplanten fahrerlosen Endausbau etwa Zugbegleiter sorgen. Auch mit einer Videoüberwachung könnte man Vandalismus vorbeugen. "Was die Bahnübergänge betrifft, wird man Schranken oder andere Möglichkeiten einsetzen, um den querenden Verkehr abzusichern, das ist schon aus rechtlichen Gründen nötig", so Frey.
Der Fahrplan könne flexibel an die Nutzergewohnheiten angepasst werden und auf Spitzen reagieren. Bei 30 Kilometern pro Stunde, drei Ausweichstellen und vier Fahrzeugen auf der Trasse wäre ein Intervall von fünf Minuten möglich, was eine starke Verbesserung zur derzeitigen Bus-Situation bedeuten würde. Die Kabinen könnten je nach Bedarf für sechs, 24 oder 48 Personen zum Einsatz kommen. "Um einen dichten Fahrplan anbieten zu können, muss die Alternative aber auch angenommen werden. Hier gilt es zunächst, die Bedürfnisse der Anrainer im Testbetrieb herauszufinden, um das Angebot dementsprechend einzurichten", so Verkehrsexperte Frey. "Für uns als Verkehrsplaner ist dabei besonders spannend, wie man im zersiedelten, suburbanen Raum den öffentlichen Verkehr mit den derzeitigen Möglichkeiten neu denken und gestalten kann, um ihn für die Nutzer attraktiver als den privaten Pkw zu machen."
Für die Benutzer der Straßenbahn selbst soll das System denkbar einfach sein: "Will ich etwa mit der Bim um elf Uhr Vormittag Richtung Stadt, gebe ich das über eine App am Handy ein oder ,hole‘ die Bim an der Haltestelle", erklärt Mairitsch die Idee. "Das System checkt dann, ob mehrere Personen um diese Zeit fahren wollen, nimmt eine ,Sammelbestellung‘ auf und ,antwortet‘ dann etwa, dass die Bim um 10.57 und 11.05 Uhr in der Station ist." Was eine Fahrt pro Person kosten soll, sei noch nicht ausgelotet, aber: "Wir könnten uns vorstellen, in Sachen Tickets mit Verkehrsbünden und Wiener Linien zu kooperieren, sodass man vielleicht auch den Wiener Fahrschein auf der Tram on demand nutzen kann", sagt Gemeinderat Christian Apl.
In der ersten Phase soll die umweltfreundliche "Straßenbahn auf Knopfdruck" im Forschungs- und Pilotbetrieb auf 5,7 Kilometern entlang der erst 2008 sanierten Trasse der aufgelassenen Kaltenleutgebener Bahn von Liesing bis Perchtoldsdorf fahren. Bei 35 Kilometern pro Stunde ist das eine Strecke von zehn Minuten, mit Stationen im Abstand von etwa 800 Metern.
Von Rodaun über Brunn am Gebirge bis zur HTL Mödling
Elf Kilometer soll die Strecke dann der Vision nach im Endausbau umfassen: von der Straßenbahnlinie 60 in Rodaun über Perchtoldsdorf, Brunn am Gebirge und Maria Enzersdorf bis zur HTL Mödling. "Dazu muss aber noch untersucht werden, welche Trassen möglich wären", sagt Apl. Für ihn ist das Projekt gerade durch die Ländergrenzen übergreifende Arbeit interessant. "Der Entwicklungsprozess kann dadurch zu einem größeren Ergebnis führen. Es kann ein ,Eisbrecher‘ in mehrerer Hinsicht sein." Bis auf die FPÖ hätte das Projekt den Zuspruch aller politischen Parteien gefunden. "Diese findet das Projekt zu teuer, will aber prinzipiell auch eine Bahn, um das Verkehrsproblem zu lösen."
Insgesamt liegen 20 Orte an der geplanten Bimstrecke, Perchtoldsdorf, Kaltenleutgeben und Liesing sind am meisten davon betroffen. "Für unsere Region ist die Tram on demand eine wirklich gute Idee", sagt der Perchtoldsdorfer Bürgermeister Martin Schuster. "Man muss aber betonen, dass es nichts ist, was schon morgen kommen kann. Es ist ein Zukunftsprojekt." Auch der Bürgermeister von Kaltenleutgeben, Josef Graf, unterstützt das Projekt, um die immer dichter besiedelte Wohngegend im Speckgürtel von Wien besser an den öffentlichen Verkehr anzubinden. "Im Bereich des ehemaligen Zementwerks werden in den nächsten zwei Jahren 450 Wohnungen für bis zu 1000 Menschen entstehen", sagt Graf. "Wir haben jetzt schon in der Früh ein tägliches Stauproblem im Bereich Hochstraße/Kaltenleutgebener Straße, das sich verschärfen wird, darum brauchen wir Alternativen weg von der Straße." "Große, nachhaltige Verkehrsprojekte müssen immer lange vorausgeplant werden", glaubt er an die Umsetzung.
Geht es nach Wunsch der Initiatoren, soll schon im Sommer 2016 ein Probebetrieb im mobilen Testlabor laufen. "Das Wohnungsprojekt Waldmühle Rodaun ist bis dahin abgeschlossen und es wäre fein, dann schon einen Prototyp zu haben", sagt Ingenieurin Mairitsch. Der fahrerlose Endausbau werde aber frühestens in zehn Jahren realisiert werden können, sagt Harald Frey: "Jetzt gilt es zunächst, die bestehende Infrastruktur und die vorhandenen Möglichkeiten an der Trasse zu nutzen, die Funktion ,on demand‘ zu testen und zu schauen, dass das System in Gang kommt."
Wissen
Die "Tram on demand"fährt laut Projektidee 30 Kilometer pro Stunde, das heißt alle fünf Minuten, Kabinen von sechs bis 48 Personen sind möglich. Der Fahrzeitplan passt sich an die Nutzer an, etwa an Schüler bei "Morgenspitzen". Der Stationenbetrieb könnte mit etwa 800 Meter Abstand voneinander funktionieren. Die Kosten pro Fahrt stehen noch nicht fest, eine Kooperation mit den Wiener Linien ist angedacht. Der Ruf der Straßenbahn wäre über eine App oder an der Haltestelle möglich. Angedacht ist zunächst eine 5,7 Kilometer lange Strecke von Perchtoldsdorf bis Liesing. Das sind rund zehn Minuten. 11 Kilometer könnten es dann im Endausbau sein. Von Rodaun ausgehend könnten alle Mödlinger Bezirke, über Maria Enzersdorf bis zur HTL in Mödling angefahren werden. Alle Parteien bis auf die FPÖ haben sich bereits für dieses Projekt ausgesprochen. Die Vision ist die Ankurbelung der Grätzel, der Vorteil für zersiedelte, suburbane Gebiete.
www.tramondemand.at