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"Bin ich ganz fröhlich!"

Von Engelbert Washietl

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Der Autor ist Vorsitzender der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse, und Salzburger Nachrichten.

Die Zukunftsfreude des tschechischen Außenministers ist bewundernswert, aber nicht ansteckend. Politiker machen es den Europäern schwer, nicht verdrossen sein zu wollen.


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Es fehlt jeder Hinweis, dass in Österreich mehr oder größere politische Dummheiten gemacht werden als anderswo. Leider. Denn daraus ergibt sich, dass unsere Nachbarn es auch nicht besser machen, woraus zwingend folgt, dass es in Mitteleuropa oder überhaupt in ganz Europa mittelmäßig zugeht.

Als vergangene Woche im Presseclub Concordia einige politisch Engagierte ein Buch vorstellten ("Politik auf österreichisch", Goldegg Verlag), krachte es bereits vernehmbar im innenpolitischen Gebälk des Nachbarn Tschechoslowakei. Politikforscher Peter Ulram sprach zwar nur über die Österreicher, aber er konnte unmöglich ausschließlich an sie gedacht haben, wenn er sagte: "Die Politiker untergraben ihre eigene Position durch Politikerbeschimpfung."

In Prag fliegen die Fetzen zwischen dem Staatsoberhaupt Vaclav Klaus und dem gestürzten Ministerpräsidenten Mirek Topolanek. Nicht ausgeschlossen, dass alle 27 EU-Staaten einschließlich Tschechiens die Folgen des Ränkespiels noch schmerzlich spüren werden.

In Ungarn ist gerade der bisherige Chef der Sozialisten und Premier der Minderheitsregierung, Ferenc Gyurcsany, an der Reihe. Ihm ist das Verdienst zuzugestehen, das Versagen der Politik ungeschminkt in zwei historischen Sätzen dokumentiert zu haben.

Den einen sprach er unmittelbar nach seinen Rücktritt: "Ich habe mich hinsichtlich unserer Stärke und unserer Möglichkeiten geirrt." Der andere geriet durch eine versteckte Tonaufnahme in die Öffentlichkeit. Gyurcsany hatte im Mai 2006 unter Parteigenossen eine Stunde der Wahrheit veranstaltet und zugegeben: "Die Regierung hat vier Jahre lang nichts getan, und wir haben wahrscheinlich bis zum Schluss gelogen."

In Italien schmiedet Ministerpräsident Silvio Berlusconi aus seiner Forza Italia und der verbündeten Alleanza Nazionale die Mitte-Rechts-Partei "Volk der Freiheit" als gewichtiges politisches Zentrum. Das bedeutet freilich noch nicht, dass Italiens Demokratie dadurch gefestigt wäre.

Eine zweite Feststellung Ulrams müsste nämlich für Italien unheilvoll abgewandelt werden. Er sprach vom "sekundären Populismus" der Politiker, der darin bestehe, dass die Medien die Melodie spielen und die Politiker zu ihr tanzen. In Rom spielt Medienzar Berlusconi die Melodie selber und lässt das Wählervolk tanzen.

Es hat nicht den Anschein, als würden Österreichs Medien die Problematik des "sekundären Populismus" erkennen oder gar darüber nachdenken, ob sie nicht ständig dazu beitragen, die Politikverdrossenheit weiter Bevölkerungskreise zu fördern. Ex-SPÖ-Abgeordneter Josef Broukal, der seine politische Karriere in kontrolliertem Frust beendet hat, macht über die Selbstfesselung der politischen Klasse eine interessante Bemerkung: "Politik ist eine kollektive Veranstaltung, und Journalisten sind Einzelgänger." Mit anderen Worten: Die Journalisten können frei herumwildern, während sich die Politiker dem Zwang der Partei- und Klubdisziplin zu unterwerfen haben. Broukal musste innerhalb von 90 Tagen dreimal gegen einen Studiengebühren-Antrag stimmen, den er selber im Nationalrat gestellt hatte. Kein Wunder, dass Broukal nur noch wenig glaubt und die Wähler gar nichts mehr glauben.

Der tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg wischt solche Probleme vom Tisch: "Warum Belastung? Bin ich ganz fröhlich!" Das ist freilich nur für Menschen ein Trost, die die altösterreichische Geisteswelt mit der Wirklichkeit verwechseln.