Pakistan bemüht sich um ein rasches Ende der Affäre. | USA hoffen auf weitere Terroristen-Fänge in Pakistan. | Neu Delhi. Für das letzte Versteck von Osama bin Laden scheinen die Tage gezählt. Der rund 3500 Quadratmeter große Wohnkomplex mit seinen hohen Mauern im pakistanischen Abbottabad soll schon in einigen Wochen abgerissen werden, berichteten pakistanische Zeitungen am Freitag. Hier wurde der Al-Kaida-Führer am Montagmorgen von einem US-Spezialteam erschossen.
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Inzwischen hat die pakistanische Armee das Eingangstor zur Villa versiegelt. "Wie schon in der Vergangenheit werden wir auch dieses Gebäude abreißen, so dass es keine heilige Stätte für die Gotteskämpfer wird", zitierte "The Nation" eine ungenannte Quelle aus dem Sicherheitsapparat.
Pakistan will die unangenehme Episode Osama bin Laden rasch hinter sich lassen. Das islamische Land war nach dem Coup gegen den Top-Terroristen in einem beschaulichen Bergstädtchen unweit wichtiger Armeeeinrichtungen in Erklärungsnot geraten. Verschnupft über Medienberichte, die Pakistan mächtiger Militär- und Geheimdienstapparat Mitwisserschaft und Mitwirkung unterstellten, ging der Staatssekretär im Außenministerium, Salman Bashir, in die Offensive: Die Berichterstattung, dass Osama von pakistanischen Spionagedienst ISI versteckt wurde, sei an den Haaren herbeigezogen.
USA streben weitere Kooperation an
Starke Schützenhilfe für Pakistan kam aus dem USA: Ein hoher Beamter im Pentagon versicherte, die USA habe bislang keinerlei Beweise, dass Pakistan den Zufluchtsort Bin Ladens kannte. Und US-Außenministerin Hillary Clinton versicherte, die USA seien unbedingt darauf bedacht, die Partnerschaft mit Pakistan aufrechtzuerhalten. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern seien zwar manchmal nicht ganz einfach, doch produktiv für beide Seiten. Clinton will nach Angaben des pakistanischen Außenministeriums noch in diesem Monat das Land besuchen.
Denn auch die USA wollen lieber nach vorne schauen, damit sie schnell neue Erfolge einfahren können. Wichtig dafür ist das neue Terroristenjäger-Traumteam USA-Pakistan, auch wenn dies von beiden Seiten nicht gern offen zugegeben wird. Denn Pakistan dürfte weitere Überraschungen zu bieten haben. Ein Bericht der pakistanischen Zeitung "The News" legte nahe, dass die nächsten Ziele Al-Kaida-Mann Nummer 2, Ayman al-Zawahiri, oder Mullah Omar, der frühere Chef des Taliban-Regimes in Afghanistan, sein könnten.
Auch US-General Richard Mills deutete an, dass die in dem Unterschlupf von Bin Laden gefundenen Computer und Festplatten wichtige Daten für die Aufspürung anderer gesuchter Terroristen auf der Fahndungsliste hergeben würden. "Wenn ich Mullah Omar wäre, würde ich mir Sorgen machen", sagte er in Anspielung auf den einäugigen Taliban-Führer, der im pakistanischen Quetta vermutet wird.
Doch für einen weiteren Coup gegen die Islamisten will zunächst Pakistan von irgendeiner Mithilfe in der "Affäre Bin Laden" freigesprochen werden, denn man fürchtet die Rache Al-Kaidas. Dazu schütteten sich Pakistans Militärchef Ashfaq Kayani und Geheimdienstboss Shuja Pasha kräftig Asche auf ihr Haupt. Eine Arbeitsgruppe soll nun untersuchen, wie die pakistanischen Sicherheitsdienste im Fall Bin Ladens so sehr versagen konnte.
Der sonst um sein Ansehen besorgte ISI nahm sogar Spott und Schande in Kauf: Quellen aus der Spionage-Agentur versicherten pakistanischen Zeitungen traurig, dass man einfach nicht mit dem amerikanischen CIA konkurrieren könne. "Es gibt einfach riesige Unterschied bei den technischen Möglichkeiten der beiden Dienste", zitierte die "Express Tribune" einen ungenannten ISI-Mitarbeiter. "Der CIA kann Informationen viel schneller verarbeiten."
Pakistan warnt vor weiteren Einsätzen
Pakistan verbat sich jedoch für die Zukunft weitere nächtliche Besuche ausländischer Killerteams in Tarnkappen-Helikoptern. Das könnte "eine schreckliche Katastrophe" geben, erklärte Bashir mit einem dezenten Hinweis auf Pakistans Atomwaffen-Arsenal. Die Warnung richtete sich besonders an Indien, denn der feindliche Nachbar hatte bereits laut darüber nachgedacht, ob man nicht auch auf eigene Faust in Pakistan auf Terroristen-Jagd zu gehen sollte.