Brüssel - Mehr als 90 Millionen Menschen in Europa sprechen Deutsch als Muttersprache. Das Vordringen von Englisch und die EU-Erweiterung lösen jedoch Ängste um die künftige Stellung des Deutschen aus. Experten machen sich jetzt für Mehrsprachigkeit stark.
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In der Europäischen Union sind Menschen deutscher Muttersprache die größte Sprachgruppe. Noch nie habe es aber "eine Zeit gegeben, wo so viel über den Status von Sprachen und des Deutschen nachgedacht wurde", sagte Rudolf Hoberg, Germanistikprofessor und Vorsitzender der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) in Wiesbaden. Es könne heute nicht darum gehen, "Deutsch zu pushen". Denn, dass Englisch "Lingua franca", Verkehrssprache, geworden ist, sei unbestreitbar. Aber die Vielsprachigkeit Europas müsse erhalten, die Mehrsprachigkeit gestärkt werden, betonte Hoberg bei einem Symposium in Brüssel.
Kulturelle Identität
Für Sprachgesetze votierte bei der Tagung nur der Franzose Albert Salon. "Darf ein Land nicht mehr seine Sprache schützen?", fragte er: Solle "die Wirtschaft über die kulturelle Identität des Volkes gestellt" werden? Kein Land macht so sehr gegen das Eindringen des Anglo-Amerikanischen mobil wie Frankreich.
Diesen Weg will Deutschland offenbar nicht gehen: Der deutsche Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin (SPD) stellte sich "gegen den Zungenschlag", das Englische zurückdrängen zu wollen. Damit würde man sich "gegen die junge Generation versündigen". Denn weniger als zwei Prozent der wissenschaftlichen Publikationen erschienen noch in Deutsch oder Französisch, und Deutsch sei nicht mehr Wirtschaftssprache wie Ende des 19. Jahrhunderts. Als "normale Kommunikationssprache" sei es hingegen nicht bedroht. Englisch könne zudem in einer erweiterten EU eine Fremdsprache sein, die alle verstehen. Und bei der Mehrsprachigkeit plädierte der Minister dafür, diese eher als das "Teilen von Lebensformen" zu sehen: Denn so sei sie ein "Bindemittel der europäischen Kultur".
Eingefordert wurde Mehrsprachigkeit aber auch von unerwarteter Seite: Der Brite Martin Durrell, Germanistikprofessor an der Universität Manchester, geißelte "die notorische Einsprachigkeit der Briten".
Unverständliche Briten
Britanniens Elite habe keine Sprachkenntnisse. Ihr Englisch sei zudem oft so, dass Außenstehende es auch bei guten Kenntnissen nicht verstünden. Darum müssten die Briten auf die Sprachkompetenz der Sprecher eingehen, damit das "globalisierte Gebrauchsenglisch" auch für sie selbst gut sei. Diese Fähigkeit hätten Briten aber nur, wenn sie selbst eine Fremdsprache kennen, sagte Durrell: Nur durch Mehrsprachigkeit könnten daher auch sie die "Herausforderung aus der Globalisierung der englischen Sprache bewältigen".