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Binnen-I oder doch besser Placebo-Effekt?

Von Johann Fellner

Gastkommentare
Johann Fellner lehrt und erforscht an der TU Wien, wie aus Abfällen wertvolle Rohstoffe gewonnen werden können.
© privat

Für eine echte Gleichstellung von Frauen spielt auch der Glaube an die eigenen Fähigkeiten eine wichtige Rolle.


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Wir müssen neue Wege im Bereich des Empowerments von Frauen beschreiten. Als Hardcore-Techniker an der TU Wien muss ich mit ansehen, dass Frauenprofessuren geschaffen werden und wurden und sehr geschätzte Kolleginnen als oberste Priorität, um die Sichtbarmachung von Frauen zu verstärken, die genderneutrale Sprache auf der TU-Website entdeckt haben. Beides erscheint auf den ersten Blick sinnvoll und hat seine Berechtigung - aber für eine echte Gleichstellung von Frauen sollten vielleicht andere Prioritäten gesetzt werden.

Der Begriff "Frauenprofessur" ist sicher gut gemeint, aber er birgt eine unheimliche Ungleichstellung: Diese Stellen haben sicher ihre Berechtigung, um männerdominierte Seilschaften in Führungspositionen zu durchbrechen, aber bewusst und - noch schlimmer - unterbewusst wird damit suggeriert, wir würden für die "armen" Frauen solche geschützten Bereiche benötigen, weil eine Professur vor allem an einer technischen Hochschule aus eigener Kraft kaum erreichbar wäre.

Auch wenn es keinesfalls so gemeint ist: Das ist definitiv das falsche Signal an alle Frauen, nicht nur an technikinteressierte. Vielmehr geht es doch darum, Frauen und Mädchen bewusst und vor allem unterbewusst (weit mehr als 95 Prozent unserer Wahrnehmung erfolgen unterbewusst) zu signalisieren, dass sie mehr als gut genug sind, solche Positionen zu besetzen. Für den Erfolg unabdingbar ist der Glaube an sich selbst. Und hier kommt der Placebo-Effekt ins Spiel: Der Glaube daran, dass etwas hilft, reicht oft schon für eine positive Wirkung aus. Das gilt auch für das eigene Können und die eigenen Stärken. Auch Sportler sind dann am erfolgreichsten, wenn sie mit Selbstvertrauen vollgepumpt sind und an ihren Erfolg glauben - umgekehrt geht bei einem Verlust an Selbstvertrauen und damit an Glauben an sich selbst oft auch der Erfolg verloren.

Daher, liebe Frauen und Mädchen, bitte glaubt an eure eigenen Stärken und Fähigkeiten! Es genügt nicht, dass man euch erzählt, wie gut ihr seid - ihr selbst müsst das verinnerlichen! Das hat den Riesenvorteil, dass euer Erfolg nur von euch selbst abhängig ist, auch wenn diese Verinnerlichung schwierig sein kann. Dennoch: Glaubt an eure eigenen Fähigkeiten, und ihr werdet euren Erfolg und die geänderte Wahrnehmung in der Gesellschaft bemerken.

Natürlich ist es wichtig und richtig, eine Website zu gendern - noch wichtiger ist es allerdings, die Leistungen von Frauen zu honorieren und ihr Licht nicht ständig unter den Scheffel zu stellen (ein Fehler, den leider vorwiegend Frauen machen). Damit wäre der Gleichberechtigung am Institut ein größerer Dienst erwiesen als durch ein weiteres Binnen-I, das sicher weniger zur Gleichstellung von Frauen beiträgt als eine gesunde Selbsteinschätzung weiblicher Leistungen.