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Bio-Kost von Bibel-Bauern

Von Claudia Peintner

Wirtschaft
Produkte von Lebe Gesund werden unter anderem auf dem Münchner Viktualienmarkt verkauft.
© © www.BilderBox.com

Mit den Einnahmen der Öko-Marke "Lebe Gesund" wird laut Sektenexperten die neureligiöse Bewegung Universelles Leben unterstützt. | Die deutschen Bio-Produkte sind im Internet, auf Marktständen und in eigenen Läden erhältlich.


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Wien/Würzburg. Da sollen Kunden anbeißen: Knusprige Apfelchips und Schoko-Cookies. Das Internet-Angebot des "Lebe Gesund"-Versandes macht einen verlockenden Eindruck: Bunte Aufstriche findet man dort, knackiges Gemüse und Brotlaibe. Alles fleischlose Produkte, hergestellt von Landwirten "im Sinne des Friedfertigen Landbaus", verspricht der Anbieter. "Wir sind mehr als Bio, wir sind reine Natur", ist auf der Homepage nachzulesen. Einige Fragen tauchen jedoch auf, wenn man die Produkte unter die Lupe nimmt: So prangt auf diversen Fertiggerichten etwa ein Engelsmotiv. Auf den Etiketten erfährt der Kunde, dass die Waren von den "Gütern Neu-Jerusalem" stammen.

Laut Informationen der "Wiener Zeitung" entstehen angeblich die Produkte im Umfeld der neureligiösen Bewegung Universelles Leben, die unter intensiver Beobachtung der Sektenbeauftragten der evangelischen und katholischen Kirchen steht. "Über die Bio-Produkte soll angeblich ein Teil der Bewegung finanziert werden", heißt es. "Wir weisen darauf hin, dass hinter den Lebensmitteln Personen stehen, die einer bestimmten Gruppe nahestehen, deren Gebaren sektiererisch ist", sagt Jürgen Lohmayer vom Referat für Weltanschauungs-, Religions- und Sektenfragen der Diözese Würzburg.

Produkte mit religiöser Weltanschauung?

Offiziell stehen der "Lebe Gesund-Versand" und die Produktmarke "Gut zum Leben" in der Inhaberschaft der Firma "Lebe Gesund-Steinmühlenbrot GmbH". Hauptgesellschafter ist die Internationale Gabriele-Stiftung, die sich der Schaffung von Lebensräumen für Natur und Tiere widmet. Die vegetarischen Produkte entstehen seit den 8oer Jahren in Ortschaften rund um Würzburg auf den Gütern Neu-Jerusalem.

Der Hintergrund: "Die Anhänger von Universelles Leben glauben an die Offenbarung, dass das Weltende bevorsteht und gründeten sogenannte Christus-Betriebe, die sich teils auf ökologische Landwirtschaft spezialisiert haben und mit denen die Überlebenden gerettet werden sollen", berichtet ein Experte.

Im Grunde spricht laut Lohmayer nichts dagegen, dass sich religiöse Bewegungen ein wirtschaftliches Standbein schaffen, an dem sie verdienen können. Die Lebensmittel seien sicher einwandfrei. Was Kritikern jedoch negativ aufstoßt: Bei "Lebe Gesund" oder "Gesund zum Leben" taucht nicht auf, dass dahinter eine religiöse Weltanschauung steckt. "In Verbindung mit der abwertenden Haltung zum Fleischverzehr und dem Tierschutz, den man sich auf die religiösen Fahnen aufschreibt, ist das ein potentielles Einfallstor für Menschen, die sich religiös beeinflussen lassen", sagt Lohmayer.

Mit mehr Distanz betrachtet man die Angelegenheit bei der österreichischen Bundesstelle für Sektenfragen: "Man kann dieser Gemeinschaft wegen des Verkaufs von Bio-Lebensmitteln keinen Vorwurf machen, solange sie gegen keine rechtlichen Vorschriften verstoßen", betont eine Mitarbeiterin. Generell würden Menschen nicht wegen dem guten Laib Brot einer umstrittenen Religionsgemeinschaft beitreten, sondern aus anderen persönlichen Gründen. "Dies schließt jedoch nicht aus, dass Menschen über das Angebot der Läden in näheren Kontakt mit der Gemeinschaft kommen können", so die Bundesstelle für Sektenfragen.

Stand auf der Tullner Gartenbaumesse

"Mit ökologischen Agrarprodukten kontrollieren dem Universellen Leben nahe stehende Firmen (,Gut zum Leben, ,Lebe Gesund, ,Hin zur Natur) inzwischen ein erhebliches Marktsegment für Ökoprodukte in Süddeutschland", heißt es in einem Faltblatt der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen aus dem Jahr 2010. Aufstriche, Tees oder Fertig-Pasta werden weltweit über den Lebe Gesund-Verand im Internet sowie auf deutschen Wochenmärkten - so etwa auch auf dem Münchner Viktualienmarkt - und in eigenen Läden vertrieben, oder auf Messen. In Österreich sind die Produkte, so wie bereits in den Vorjahren, auf der Ende August stattfindenden Gartenbaumesse Tulln erhältlich. Auch auf der Kulinarikmesse Kulinaria Tulln hatte "Lebe Gesund" im Frühjahr einen Stand. In der Vergangenheit seien die Lebensmittel auch auf Märkten in der Wiener Innenstadt verkauft worden, erinnert sich ein Anrainer.

"Lebe Gesund" dementiert Verbindung

Sektenberater gehen davon aus, dass Universelles Leben weltweit unter 10.000 Anhänger hat, 2000 bis 3000 davon leben im Großraum Würzburg. In Österreich gibt es "universelle Begegnungsorte" etwa in Wien, Bregenz, Klagenfurt und Linz. An der Spitze der umstrittenen Vereinigung steht die 77--jährige "Prophetin" Gabriele Wittek, die sich als "Sprachrohr Gottes" versteht.

Dass es eine Verbindung zwischen Universelles Leben und den Bio-Lebensmitteln geben soll, dementiert die Geschäftsleitung des "Lebe Gesund"-Versandes auf Nachfrage der "Wiener Zeitung": "Lebe Gesund ist eine eigenständige Firma. Hier arbeiten Mitarbeiter verschiedener Glaubensrichtungen nach einer gemeinsamen Betriebsordnung unter dem Motto: ,Üb` immer Treu und Redlichkeit", betont "Lebe Gesund"-Geschäftsführerin Andrea Rotter.