Laut Experten gibt es zwar unzählige Ernährungsphilosophien, aber es reichen nur wenige Grundregeln für eine gesunde Ernährung.
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Wien. Ich will mich gesund ernähren. Aber welche Methode ist die beste? Ist es der vielgepriesene mediterrane Ernährungsstil mit viel Olivenöl und Fisch? Ist es die Vollwerternährung mit viel Vollkornprodukten - oder soll ich einfach auf Fleisch verzichten und Vegetarier werden? Und gab es da nicht auch noch die Veganer, die überhaupt keine tierischen Produkte essen?
Und woher weiß ich überhaupt, dass der Fisch, den ich kaufe, nicht verstrahlt ist - oder der Spinat auf meinem Teller nicht mit Schwermetallen belastet ist? Woher weiß ich, dass "neueste wissenschaftliche Erkenntnisse" nicht in ein paar Jahren widerrufen werden - so wie etwa jene, dass man Babys in den ersten zwölf Monaten glutenfrei ernähren sollte, um Allergien vorzubeugen? Und kann ich überhaupt der Werbung vertrauen, wenn "gesunde" Lebensmittel angepriesen werden?
In Sachen gesundheitsbewusster Ernährung herrscht unter den Konsumenten große Verwirrung. Zu groß ist die Vielfalt an Konzepten, Methoden, Philosophien und Herangehens- und Sichtweisen. Vor allem in einer Welt, in welcher das Einkaufsverhalten der Konsumenten nur von einem ausschlaggebenden Faktor geprägt ist: dem Preis.
"Die meisten Umfragen in Österreich, Deutschland und der Schweiz belegen das leider tatsächlich", erklärt Jürgen König, Universitätsprofessor für Spezielle Humanernährung am Institut für Ernährungswissenschaften an der Universität Wien, der "Wiener Zeitung". "Und wenn man ein Kilo Schweinefleisch um einen Euro sieht, sollte man sich schon darüber im Klaren sein, dass dieses Fleisch nicht biologisch und nachhaltig produziert wurde und nicht von einem Tier stammt, das sich auf hundert Quadratmeter Auslauffläche jederzeit im Schlamm suhlen konnte", so König weiter.
Dieselben Kernbotschaften
Prinzipiell, so betont der Experte, gibt es keine "gesunden" Lebensmittel an sich. Es gibt nur gesundes Ernährungsverhalten. Und wie dieses aussieht, darüber scheiden sich tatsächlich die Geister - "allerdings nur in den Detailbereichen", betont der Professor. "Die Kernbotschaften sind nämlich immer dieselben."
Und die lauten grob zusammengefasst folgendermaßen: mehr Vollkorn, mehr Obst und Gemüse, weniger Fleisch, mehr Fisch, mehr (fettarme) Milchprodukte - "und von allem generell ein bisschen weniger plus mehr Bewegung", so König.
An diesen Kernbotschaften habe sich in den vergangenen Jahrzehnten eigentlich kaum etwas verändert. "Zugegebenermaßen aber wohl an der Allergieprävention bei Kleinkindern und daran, dass Fruchtzucker doch nicht ganz so toll ist, wie man das am Anfang propagiert hat. Aber an der Praxis ändert das nichts, denn das ist nur molekularbiologisch und chemisch nachweisbar", betont der Ernährungwissenschafter.
Es sei auch nichts an veganer Ernährung auszusetzen. "Vegan ist nicht ungesund, aber sehr kompliziert. Da muss man sich gut auskennen, dass man eine ausgewogene Ernährung zustande bringt", meint König. Dasselbe treffe auf Vegetarier zu. Auch philosophisch geprägte Ernährungsschulen, wie etwa jene der traditionell chinesischen Medizin, seien in Ordnung - solange auf Ausgewogenheit Wert gelegt wird.
Den Stein der Weisen in Sachen Ernährung hat jedenfalls noch keiner gefunden - zumal es laut König um individuell unterschiedliche Bedürfnisse und Anforderungen geht. Es gibt auch kein offizielles Organ, das erklärt, wie gesunde Ernährung funktioniert. Dennoch seien Gesundheitsministerium und die österreichische Gesellschaft für Ernährung - sowie die Gesellschaften in Deutschland und der Schweiz - durchaus auf einer Linie.
Es gebe darüber hinaus klare Regelungen für die Lebensmittel und auch die Industrie werde gut kontrolliert in Bezug auf das, was sie in der Werbung von sich geben. Dass es Firmen gibt, die behaupten, "gesunde" Produkte zu verkaufen, ist aber laut König grenzwertig. "Aber generell werden sehr sichere Lebensmittel angeboten - vor allem, was Hygienestandards und Zusatzstoffe betrifft."
Unterm Strich ernähren sich die Menschen in unseren Breiten also gesünder denn je, beziehungsweise haben sie die Möglichkeit dazu. "Noch nie haben sie es so gut gemacht wie heute. Denn noch nie hat es eine so breite Auswahl gegeben und noch nie so sichere Lebensmittel", betont der Wissenschafter. Demnach gibt es kaum noch Mangelerscheinungen. "Kleine Schwierigkeiten" gebe es lediglich mit Vitamin D - weil viele Menschen nicht so gerne in die Sonne gehen - und mit der Folsäure. "Wir haben eher das Problem, dass die Menschen zuviel an Vitaminen, Spurenelemente und Mineralstoffen zu sich nehmen", erklärt König.
"Diätologen kennen sich aus"
Dafür wäre aber wieder ein kundiger Ansprechpartner wichtig. Von Ernährungsberatern rät der Experte allerdings ab, da es dafür keine einheitliche Ausbildung gibt. Auch Ernährungswissenschafter seien nicht geeignet, weil diese sich vorwiegend um wissenschaftliche Zusammenhänge kümmern, nicht aber um die individuelle Nahrungsaufnahme. Selbst Ärzte und Pharmazeuten würden sich nicht gut genug auskennen - "da reicht die Qualifikation von fürchterlich bis sehr gut". Die einzig einheitliche und praxisnahe Ausbildung in dieser Sparte würden dem Professor zufolge nur Diätologen genießen.
Ansonsten sei der gesunde Menschenverstand gefragt. König appelliert hier vor allem an die Selbstverantwortung des Konsumenten. Dass es einer australischen Studie zufolge Kinder gibt, die glauben, dass Baumwolle von den Schafen kommt und Joghurt auf Bäumen wächst, ist für König sehr bedenklich. "Man kann von den Menschen ruhig verlangen, dass sie sich ein bisschen mit Ernährung auskennen und ihr Wissen an ihre Kinder weitergeben", meint er. Das sei Teil der Gesundheitserziehung. Andernfalls dürfe man sich nicht wundern, dass es weiterhin Schweinefleisch um einen Euro pro Kilo im Supermarkt zu kaufen gibt. Denn die Nachfrage bestimmt zum Teil auch das Angebot.
"Heute muss alles nachhaltig und biologisch produziert sein und darf nichts kosten - das wird sich aber nicht ganz ausgehen", gibt der Experte zu bedenken. Aber das sei eine Qualitätsfrage - mit der Lebensmittelsicherheit gebe es heutzutage kaum noch Probleme.
In Deutschland ist es im Übrigen genauso. "Die gesunde Mischung macht es aus", erklärt die Ernährungswissenschafterin Susann Ruprecht vom deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam in einem Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Demnach gibt es keinen "ungesunden" Ernährungsstil - es geht vielmehr um bereits erwähnte Ausgewogenheit. Und wenn es um das Gewicht geht, dann bestimmen vor allem die Kalorien. "Eine Studie hat vor kurzem gezeigt, dass bei Probanden mit unterschiedlicher Nahrungsaufnahme aber mit selber Kalorienzufuhr kein Unterschied bei der Gewichtszunahme zu bemerken war. Aber sehr wohl bei der Befindlichkeit der Testpersonen", so Ruprecht: Eine Testgruppe nahm nur Fastfood zu sich, eine nur mediterrane Küche und eine nur deftige deutsche Kost. Die Fastfoodgruppe fühlte sich immer unwohl, weil sie nie ein Sättigungsgefühl erreichte - im Gegensatz zu den beiden anderen Gruppen, die aufgrund der Ballaststoffe und der größeren Masse des Gemüses sehr zufrieden waren. Aber in diesem Fall ging es mehr um die Gewichtszunahme und Zufriedenheit als um gesunde Ernährung.
Zehn Regeln aus Deutschland
Für die gesunde Ernährung hat das deutsche Institut für Ernährungsforschung sogar zehn Regeln aufgestellt:
Vielseitig essen - angemessene Menge nährstoffreicher und energiearmer Lebensmittel.
Reichlich Getreideprodukte und Kartoffeln (Vitamine, Mineralstoffe, Ballaststoffe, sekundäre Pflanzenstoffe).
Gemüse und Obst - "Nimm "5 am Tag".
Täglich Milch und Milchprodukte; ein- bis zweimal in der Woche Fisch; Fleisch, Wurstwaren sowie Eier in Maßen (Calcium Jod, Selen, Omega-3-Fettsäuren, Vitamine).
Wenig Fett und fettreiche Lebensmittel.
Zucker und Salz in Maßen.
Reichlich Flüssigkeit.
Schmackhaft und schonend zubereiten.
Sich Zeit nehmen und genießen.
Auf das Gewicht achten und in Bewegung bleiben.