Umweltschutzorganisationen machen gegen gentechnisch verändertes Saatgut mobil. Gestern wurde Umweltkommissarin Margot Wallström eine Petition mit 200.000 Unterschriften überreicht. Darin wird die verpflichtende Kennzeichnung jeglicher Gentechnik-Verunreinigung der Saaten ab Nachweisgrenze verlangt. Doch der Druck der USA auf die EU ist groß.
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Anlass der Aktion ist eine geplante EU-Richtlinie, die von Greenpeace, Global 2000 und save our seeds als trojanisches Pferd für den Gentechnik-Anbau gesehen wird. Demnach sollen künftig 500 gentechnisch veränderte Maispflanzen und mehr als 2.000 Rapspflanzen auf EU-Boden angebaut werden dürfen, ohne dass die umliegenden Bauern darüber informiert sein müssten. Gleichzeitig sollen unvermeidbare Verunreinigung (0,3 und 0,5 Prozent) legalisiert werden. "Das wäre das Ende für die konventionelle gentechnikfreie und für die Bio-Landwirtschaft," warnt Susanne Fromwald, Gentechnik-Expertin von Greenpeace in Brüssel. Sollte die Kommission diese Richtlinie vorlegen, könnte sie nur noch eine Mehrheit von zwei Drittel der Staaten verhindern.
Die Kommission hat eine Anti-Gentech-Linie aufgegeben und setzt auf Beschwichtigung. Thorsten Münch, Sprecher von Konsumentenschutz-Kommissar David Byrne, bestreitet, dass dem Druck von Saatgut-Lobbys nachgegeben wurde. "Gentechnisch veränderte Organismen sind Fakten. Doch wir müssen dem Konsumenten die Möglichkeit zur Wahl geben." Für ein Gentechnik-Verbot gebe es keine Handhabe, solange die Schädlichkeit nicht bewiesen ist und die USA in der Welthandelsorganisation (WTO) jede Gelegenheit nützen, um Europa zur Öffnung des Marktes zu zwingen.
Patt zwischen den Staaten
Michael Scannel, Abteilungsleiter in der Generaldirektion Gesundheit und Konsumentenschutz, verweist ebenfalls auf die USA als größten Gentechnik-Futtermittelproduzenten und die Abhängigkeit der Union. "Dort gibt es fast ausschließlich Gen-Futtersorten. Wenn wir sie alle verbieten, dann können wir die Tiere nicht Füttern. Die einzige Alternative wäre weniger Fleisch zu produzieren." Entscheidend sei die Rückverfolgbarkeit der Gen-Organismen, lautet Scanells Beruhigungsversuch.
Konsumenten-Kommissar David Byrne verweist darauf, dass schon jetzt in der EU Gen-Pflanzen angebaut werden. Allein in Spanien seien es 25.000 Hektar. "Es ist falsch, dass die EU gentechnik-frei ist; das ist nicht wahr." Es gebe geradezu eine Pattsituation: Sechs Staaten seien dafür, sechs dagegen und drei unentschieden. "Wir müssen darauf achten, dass Gen-Lebensmittel ebenso sicher sind wie konventionelle." Auch Byrne sieht relativ wenig Chancen für einen kompletten Ausstieg, da die USA ein Urteil über die WTO erzwingen wollen. Daher setzt die Kommission auf die selbstbestimmten Konsumenten und das dazu erforderliche Vertrauen in die Kennzeichnungen.