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Bio-Skandal: Operation "Gestiefelter Kater"

Von Sophia Freynschlag und Claudia Peintner

Wirtschaft

Österreich wartet noch auf Lieferlisten von Italiens Lebensmittelbehörde.


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Wien. Der Betrug mit gefälschtem Bio-Getreide, das von Italien auch nach Österreich gelangte, lässt noch viele Fragen offen. Verdacht hätten heimische Bio-Futtermittel-Erzeuger allerdings bereits im Vorjahr schöpfen können: Ein österreichischer Bio-Futtermittel-Verarbeiter hatte im Juni 2010 eine Lieferung gepresster Sonnenblumen-Rückstände aus Italien erhalten, in dem er Pestizidrückstände entdeckte. Lieferant war die Firma Sunny Land - just eines jener Unternehmen, das dem italienischen Betrügerring angehörte.

Dass Pestizide in der Bio-Importware enthalten seien, komme äußerst selten vor, betont der aufmerksame Unternehmer im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Auf die Spur kam man den Pestizidrückständen bei der firmeninternen Kontrolle, die für jede einzelne ausländische Lieferung durchgeführt wird. Der Sonnenblumenkuchen sei nie an Abnehmer gegangen, sondern umgehend an die italienische Firma retourniert worden, versichert der Futtermittelerzeuger. Diese habe die Menge anstandslos retour genommen. Bestellt habe er dort nie wieder.

Bisher hat das österreichische Gesundheitsministerium lediglich mitgeteilt, dass mehrere hundert Tonnen Soja und in geringerem Umfang Raps von zwei der verdächtigen italienischen Unternehmen nach Österreich geliefert worden sind. In der heimischen Futtermittelindustrie wird jedoch nicht ausgeschlossen, dass dasselbe "betrügerische Muster auch auf andere Feldfrüchte angewendet wurde". Immerhin wirft der Betrug mit der Umetikettierung von konventioneller zu Bio-Ware lukrative Summen ab: Bio-Futtermittel kostet in Österreich um 30 bis 70 Prozent mehr als herkömmliches.

Derzeit wartet Österreich auf die Lieferlisten der italienischen Lebensmittelbehörde, sagt Fabian Fußeis, Sprecher im Gesundheitsministerium. Der Verein "Soja aus Österreich" betont per Aussendung, dass Sojabohnen für sämtliche Produkte der Vereinsmitglieder aus Österreich stammen.

Kontrolle der Kontrolleure

Auf die Schliche hätte man den gefälschten Bio-Importen auch bei den öffentlichen Kontrollen kommen können: Denn die nationalen Kontrollstellen prüfen normalerweise nicht nur auf Pestizidrückstände, sondern auch, ob die produzierte Menge bei der Größe der Anbaufläche plausibel ist. Dies war in Italien jedoch offensichtlich nicht der Fall. Die ausgestellten Zertifikate bescheinigten, dass die Ware in Italien biologisch hergestellt wurde. Stattdessen war sie nicht bio und kam vor allem aus Rumänien und Bulgarien. Die betroffenen Sojalieferungen wurden wahrscheinlich bereits verfüttert, denn der Betrug fand zwischen 2007 und 2009 statt, wie die italienische Bio-Organisation AssoBio mitteilt.

Wie jetzt bekannt wurde, ermittelten die italienischen Behörden unter dem Decknamen "Gestiefelter Kater". Für den Betrug verantwortlich sind fünf Firmenchefs und zwei Mitarbeiter der italienischen Kontrollstelle, die beide mittlerweile suspendiert wurden. Alle sieben Personen sitzen im Gefängnis.

Die italienischen Behörden bemühen sich um Schadensbegrenzung. Der grün-weiß-rote Verband FederBio will eine Datenbank starten, in dem alle Transaktionen von Bio-Produkten eingegeben werden müssen. Die EU plant ab 2012, die Überwachung der Bio-Kontrollstellen verstärken.