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Biofortification: Essen der Zukunft

Von Christa Karas

Wissen
Reis auf den Feldern: Mit seiner Erforschung begann die Ernährung der Zukunft.

Nährstoffmangel könnte schon bald Vergangenheit sein. | Nahrungsmittel werden vollwertig ohne Zusätze. | Wien. Vitamin A, Folsäure, Zink, Eisen, Jod und Proteine - um die wichtigsten zu nennen - machen einige der existenziellen Inhaltsstoffe der Ernährung aus. Das wird dort offensichtlich, wo sie nicht oder in zu geringen Mengen zur Verfügung stehen, nämlich in Form von Krankheiten, Behinderungen und generell geringer Lebenserwartung.


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Rund ein Drittel der Weltbevölkerung ist davon betroffen, mehr als zehn Millionen Kinder sterben jährlich unmittelbar an Mangelernährung. Eine effiziente Lösung war bisher noch nie in Sicht.

Den ersten bedeutenden Schritt gegen dieses größte Menschheitsproblem unternahmen die Begründer des "Golden Rice"-Projekts (siehe Beitrag unten), mittlerweile wird weltweit unter dem neuen Begriff "Biofortification" an vielen derartigen Projekten geforscht. Die grüne Gentechnik spielt dabei eine maßgebliche Rolle überall dort, wo sich die erwünschten Effekte nicht auf herkömmliche Weise - Züchtung oder Einkreuzung - erzielen lässt. "Golden Rice" etwa entstand mit Hilfe eines Gens der Osterglocke (Narcissus pseudonarcissus) und eines weiteren des Agrobakteriums Erwinia uredovora, das natürlich in Pflanzenböden vorkommt.

Hilfe von Agrobakterien

Agrobakterien schützen Pflanzen nach Verwundungen, ihr Plasmid zählt mittlerweile als Transportvehikel zu den wichtigsten Helfern in der grünen Biotechnologie, wenn es gilt, neue Gene in Pflanzenzellen einzuschleusen. Aktuelle Erfolge mit dieser oder ähnlichen Methoden:

Da Getreide auf dem Feld oder bei der Lagerung weltweit bis zu 50 Prozent von Schimmelpilzarten befallen wird, deren Mykotoxine schon in geringsten Mengen hoch gesundheitsschädlich sind, bauten japanische Forscher Maispflanzen ein Gen ein, das sie befähigt, sich selbst zu entgiften.

Ein Mangel an Folsäure (Vitamin B 9) bei Schwangeren führt zu Fehlbildungen des Kindes. In Entwicklungsländern rechnet man mit jährlich zumindest 200.000 solchen Fällen. US-Forscher identifizierten die Biosynthese, schleusten zwei entsprechenden Gene ein und produzierten so Tomaten, von denen eine einzige genügt, den Folsäure-Tagesbedarf zu decken - die transgenen Pflanzen produzieren in ihren Früchten bis zu 25 Mal mehr Folat als unveränderte.

Und wiederum japanische Forscher haben Reis jüngst genetisch so verändert, dass sein Verzehr Menschen künftig vor Cholera schützen kann.

Vorteile der Biofortification: Die Nährstoffe wachsen im Nahrungsmittel, müssen also nicht zugesetzt oder durch teure, vielfach unerschwingliche Ergänzungsmittel kompensiert werden. Davon werden nicht zuletzt auch wir in den Industrieländern profitieren.

Ethische Problematik

Dass auch die grüne Biotechnologie der Risikobewertung unterliegen muss, steht außer Frage. Die Flut an Auflagen und Regelungen geht in Teilen Europas aber zu weit, da sie wichtige Forschung behindert und nur populistischen Vorurteilen Rechnung trägt. Umweltaktivisten sollten sich indessen fragen, ob es ethisch vertretbar ist, Entscheidungsträger bis in die Dritte Welt gegen die Gentechnik voreinzunehmen und deren Anwendung auch dort zu verhindern, wo sie durch Daten und Fakten abgesichert ist.

Dass "die Dritte Welt eh nichts davon hat" ist ein Pseudoargument. Das beweist neben dem "Golden Rice"-Projekt auch "Harvest Plus" zur Bekämpfung des Mikronährstoffmangels der Ärmsten mit - nur zum Teil gentechnisch - angereicherten Bohnen, Weizen, Mais, Süßkartoffeln und Reis: Das Projekt ist privat finanziert, zum Großteil aus der Gates-Stiftung.

GVO: Gentechnisch veränderte Organismen

GVO bzw. GMO (Genetically Modified Organism) sind Pflanzen oder Tiere, deren Erbanlagen gentechnisch, im Fall transgener Organismen molekularbiologisch, verändert wurden. Durch die Übertragung von Genen zwischen verschiedenen Arten erhalten sie Eigenschaften, die mit traditioneller Züchtung nicht zu erzielen sind. Dazu gehören etwa Ertrag, verbesserte oder neue Inhaltsstoffe, Fruchtbarkeit und Krankheits- bzw. Stressresistenz.

Strengen Regelungen unterliegt der Umgang mit GVO durch Molekularbiologen, Biochemiker und Biologen im Laboralltag, obwohl er unbedenklich ist. Allerdings ist die öffentliche Akzeptanz der roten (Medizin, Medikamente) und weißen (Industrie) Gentechnik infolge ihres offensichtlichen Nutzens in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen.

Schwer hat es dagegen immer noch die grüne Gentechnik, die von Umweltschützern heftig kritisiert wird, obwohl sie wichtige Beiträge zu Umweltschutz und Gesundheit leisten kann (deutlich weniger Dünger und Schädlingsbekämpfung nötig) sowie zur Ernährung der Weltbevölkerung.

Fazit: Anbau und Vertrieb von GVO unterliegen in Europa - die Schweiz ausgenommen - strengen EU-Kennzeichnungsrichtlinien und Auflagen und sind daher erheblich eingeschränkt (insbesondere in Österreich). Indessen nimmt der Anbau von genverändertem Mais, Reis, Sojabohnen und Baumwolle vor allem in den USA stetig zu und hat laut Wikipedia 2006 weltweit eine Anbaufläche von 104 Millionen Hektar erreicht.