Amtsinhaber Hassan Rohani zittert bei der Präsidentschaftswahl um seine Wiederwahl.
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Teheran/Wien. Auf den ersten Blick ist die Präsidentschaftswahl am heutigen Freitag ein Urnengang wie jeder andere in der jüngsten Vergangenheit der Islamischen Republik: Gemäßigte und Hardliner ringen um den Sieg.
Der moderate Amtsinhaber Hassan Rohani strebt eine zweite Amtszeit an, sein ultrakonservativer Herausforderer Ebrahim Raisi, ein Quereinsteiger, der noch nie ein hohes politisches Amt bekleidet hat, will vier weitere Jahre Rohani verhindern. Umfragen zufolge könnte es durchaus knapp werden. Das vorläufige Wahlergebnis wird an diesem Samstag erwartet.
Online-Wahlkampf
Sollte keiner der beiden Kandidaten in der ersten Runde über 50 Prozent der Stimmen erhalten, wird es am kommenden Freitag eine Stichwahl zwischen den Erstplatzierten geben. 56 Millionen der rund 83 Millionen Iraner sind wahlberechtigt. Abstimmen darf jeder, der sein 18. Lebensjahr vollendet hat.
Auch wenn der Wahlkampf insgesamt wenig spektakulär verlief, so hat er sich doch in einem stark von früheren Kampagnen unterschieden: Er spielte sich in weiten Teilen in den Sozialen Medien ab. Damit wollten die Kandidaten gezielt die Jugend ansprechen, was den Ausgang der Wahl beeinflussen dürfte. Umgekehrt nutzten hunderttausende Jugendliche das Internet, um für ihren Kandidaten zu werben. Viele outeten sich als Rohani-Anhänger. Auf Instagram stellten sie unter dem Slogan "Bis 1400 Rohani" Fotos von sich selbst mit Plakaten von Rohani online, um ihre Sympathie für den Reformkandidaten zu bekunden. Der Wahlslogan stützt sich auf das iranische Kalender - nach westlicher Zeitrechnung 2021, jenem Jahr, an dem Rohanis (zweite) Amtszeit enden würde. Die Perser beginnen erst von der Flucht Mohammeds von Mekka nach Medina im Jahr 621 n. Chr. an zu zählen.
Auch Rohanis ultrakonservative Gegnerschaft ist im Internet aktiv und ruft zur Wahl für "unseren Bruder Raisi" auf. Was insofern grotesk erscheint, als die Erzkonservativen im Iran offiziell Soziale Medien als "Machenschaften des Teufels" und als "westliche Laster" verschmähen. Internetplattformen wie YouTube, Facebook, Twitter sind eigentlich verboten, der Zugang gesperrt, auch wenn der Iran das Land mit den meisten Accounts dieser Medien im Nahen Osten ist. Die überwiegend junge iranische Bevölkerung bedient sich der Filterbrecher, um die Sozialen Medien zu nutzen.
Beobachtern zufolge wird die Höhe der Wahlbeteiligung über den Ausgang des Urnengangs maßgeblich mitentscheiden. Das Rohani-Lager bemühte sich bis zuletzt, die Menschen zu mobilisieren Es befürchtet, dass viele von Rohanis früheren Anhängern angesichts des nur zähen Wirtschaftsaufschwungs desillusioniert sind und deshalb zu Hause bleiben könnten. Für den um seine Wiederwahl werbenden Kleriker könnte es dann eng werden.
Den letzten Umfragen zufolge wussten kurz vor der Wahl knapp 20 Millionen Wähler noch nicht, ob sie tatsächlich ihre Stimme abgeben. Viele waren auch noch unentschlossen, welchen Kandidaten sie unterstützen.
Vier der ursprünglich sechs Kandidaten sind noch im Rennen. Ihre Programme unterscheiden sich teils stark. Rohani, dessen Bewegung sich violett präsentiert, will seinen Annäherungskurs an den Westen fortsetzen und sich im Falle seiner Wiederwahl für den Abbau der verbliebenen internationalen Sanktionen einsetzen. Viele Sanktionen wurden bereits gelockert, Rohani erhofft sich dadurch Investitionen im Umfang von umgerechnet 14 Milliarden Euro. Ein Drittel davon will er in den Kampf gegen die Armut stecken. Zudem wirbt er für die Verbesserung der Menschenrechte, Freilassung politischer Häftlinge und für mehr Liberalismus. In den vergangenen Tagen griff er seine konservativen Rivalen hart an. Er warf ihnen vor, seit Jahrzehnten für "Hinrichtungen und Gefängnis" zu stehen. "Ob es manche nun hören wollen oder nicht; das Zeitalter der Gewalt und des Extremismus ist endgültig vorbei", so Rohani. Er warf den Konservativen vor, die Geschlechtertrennung zu forcieren und forderte die Rehabilitierung der Anführer der Reformbewegung. Die Konservativen würden immer nur für Verbote eintreten, doch Irans Jugend wolle "den Weg der Freiheit".
Khatami für Rohani
Rückendeckung bekommt Rohani vom moderaten Ex-Präsidenten Mohammad Khatami, der auf seiner Webseite vor einer "Rückkehr zu internationaler Isolation und Sanktionen" warnte, sollte Rohani abgewählt werden. Obwohl die iranischen Medien nicht mehr über Khatami berichten dürfen, ist der 73-jährige Geistliche im Iran nach wie vor sehr beliebt.
Rohanis wichtigster Herausforderer, der erzkonservative Hardliner Ebrahim Raisi, wurde 1960 in Mashad im Nordosten des Landes geboren und ist Jurist mit einer zweifelhaften Vergangenheit. 1988 soll er für die Massenhinrichtung von 4000 Regimegegnern mitverantwortlich gewesen sein. Er war damals Teil jener vierköpfigen Kommission innerhalb der Jurikative, die die Vollstreckung der Urteile anordnete.
Im vergangenen Jahr wurde der heute 56-Jährige zum Leiter des Mausoleums des sechsten schiitischen Imams Reza in Mashad ernannt - eines der prestigeträchtigsten religiösen Ämter des Landes. Raisi verwaltet dort ein Milliarden-Imperium und Stiftungen, für deren Einnahmen er keine Steuern bezahlen muss.
Hartnäckig halten sich auch Gerüchte, wonach Raisi nächster Oberster Geistlicher Führer werden soll und das Präsidentenamt ihm nur als Steigbügel dient. Den Atomdeal von Rohani würde Raisi am liebsten annullieren, auch wettert er gegen eine Annäherung an den Westen. Auch plädiert er für eine vom Westen weitgehend unabhängige Wirtschaftspolitik. Gespräche mit den Amerikanern lehnt er völlig ab.
Keine Chancen auf einen Sieg werden den übrigen beiden Kandidaten, Mostafa Agha Mirsalim aus dem Lager der Konservativen und dem moderaten Mostafa Hashemitaba eingeräumt.
Austroperser können wählen
In Österreich lebende Iraner haben am heutigen Freitag die Möglichkeit, ihre Stimme abzugeben. Dafür werden in Wien und in Graz Wahllokale eingerichtet, die von 8:00 bis 18:00 geöffnet sind. Eine Vorab-Registrierung ist laut der Medienservicestelle nicht notwendig.
Die Zahl der hierzulande wahlberechtigten Iraner ist in den letzten Jahren stark angestiegen. Zu Jahresbeginn 2017 lebten 13.903 iranische Staatsbürger und 22.449 im Iran geborene Personen in Österreich. 63 Prozent von ihnen sind in Wien ansässig.
Dossier
Iran 2017
Wissen
In der Islamischen Republik Iran wird am heutigen Freitag der zwölfte Präsident gewählt. Der Präsident wird gemäß der Verfassung für vier Jahre direkt vom Volk gewählt und darf nicht mehr als zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten absolvieren. Er ist das Oberhaupt der Regierung, dessen Mitglieder von ihm ernannt und vom Parlament bestätigt werden. Minister und Vizepräsidenten können vom Parlament durch ein Misstrauensvotum abgesetzt werden. Über die Zulassung zur Wahl der Kandidaten für das Amt des Präsidenten befindet der Wächterrat. Er hat die Aufgabe, das Land nach außen zu vertreten. Formell ist das Präsidentenamt zwar das höchste der Exekutive, in der Praxis werden die Vollmachten des Staatschefs allerdings von der schiitischen Elite und deren Oberstem Geistlichen Führer kontrolliert. Ayatollah Seyed Ali Khamenei hat diese Funktion seit dem Tod von Revolutionsvater Ruhollah Khomeini 1989 inne. Khamenei und nicht der Präsident ist der Oberbefehlshaber der iranischen Streitkräfte. Er trifft zudem die wichtigsten Entscheidungen in der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Khamenei ist es auch, der etwa den Justizchef ernennt und alle wichtigen Schlüsselposten besetzt. Im mächtigen iranischen Militärapparat hat der Präsident ebenfalls kaum Einfluss und Entscheidungsbefugnisse.