"Public Private Partnership", die Kooperation zwischen Öffentlicher Hand, Baufirmen und Banken, ist ein beliebtes ökonomisches Modell. Aber funktioniert es? Eine paartherapeutische Untersuchung.
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<p>Die Finanzblase schwebt hoch über uns Realwirtschaftlern - wie ein der Hand entglittener Luftballon. Jedoch nicht hoch genug, um keine Wirkungen zu haben. Immer mehr Bläschen, Derivate des großen Bluffs, sickern ein in die Realität der Gesellschaft. Auch in die Realitäten der Bauwirtschaft haben sie sich bereits eingenistet. In deren Regulierungen, Finanzierungen, Geschäftsmodellen und Produkten lassen sich diese Bläschen aufspüren. Sie erzählen im Kleinen von der schlechten Ehe zwischen Privat und Staat.<p>Die öffentlich-private Partnerschaft, besser bekannt als PPP (public-private-partnership), ist eine Form von Kooperation zwischen der Öffentlichen Hand, großen Baufirmen und Banken. Private finanzieren einen Schulbau, die Kommune mietet diesen für dreißig Jahre, das ist der Deal. Obwohl PPP-Modelle umstritten sind, werden sie in Wien für Schulbauten angewandt. Mit ihnen kann die Gemeinde weiterhin ihre Aufgabe erfüllen, ohne ihr Budget belasten zu müssen. Das Risiko trägt der private Investor. Das tut er gern, da er es einpreisen kann.<p>Die höheren Kosten trägt am Ende, wie immer, der Steuerzahler. Betrachtet man solche Projekte als Symptome, verweisen sie auf einen größeren Zusammenhang. Die Gesellschaft im Ganzen ist aktuell bestimmt von einem neuen Verhältnis zwischen Wirtschaft und Staat. Seit der Finanzkrise ist deutlich geworden, dass deren Partnerschaft in eine Art Beziehungskrise geraten ist, für die bisher noch keine wirksame Paartherapie gefunden wurde.<p>
Ungleiche Partner
<p>Die PPP-Partner streben unterschiedlichen Zielen zu. Die Kommune will ihr Budget schonen und macht Schulden, die nicht als Schulden gelten. Auf der anderen Seite streben Großunternehmen danach, aus diesem Versteckspiel Gewinn zu ziehen. So entsteht die Partnerschaft eines an Finanzmitteln, Gestaltungsmacht und rechtlichen Spielräumen äußerst ungleichen Paares. Was beide verbindet, ist, dass der realwirtschaftliche Anteil ihres Geschäfts, so groß er in Zahlen auch sein mag, weit überboten wird durch den spekulativen Anteil ihres ökonomischen Kalküls.<p>Die Kommune spekuliert darauf, dass die Schulden auch zukünftig verleugnet und auf die lange Bank geschoben werden können. Sie folgt damit der gleichen Strategie wie Staat und Staatengemeinschaft. Der Begriff "Konkursverschleppung" wird immer häufiger für diese Politik gebraucht. Auf der anderen Seite kalkulieren die finanzwirtschaftlichen Geldgeber für eine 30-jährige Projektlaufzeit, was nichts anderes bedeutet, als dass sie eine riskante Wette darauf abschließen, dass sie selbst am Ende Gewinner sein werden, die Steuerzahler Verlierer.<p>Dass heute hochspekulative Wetten die Ökonomie wie den Staat bestimmen, ist ein Effekt der Finanzblase. Diese nährt sich davon, dass die Finanzindustrie dem Staat Geld borgt, das dieser nie zurückzahlen wird können. Dafür bedankt sich der Staat, indem er die Wettschulden der Banken durch "Rettungsgelder" saniert, damit diese weiter im Pyramidenspiel mitmachen können. Dort müssen sie schließlich jene Gewinne "erwirtschaften", die aus der Privatwirtschaft nicht mehr zu ziehen sind. Wie sonst sollten sie die überschuldeten Staaten weiter finanzieren?<p>Staatsmacht und Finanzmacht sind in der gemeinsam mit viel Luftgelddruck immer weiter aufgeblähten Geldblase auf unentrinnbare Weise miteinander verheiratet. Sie gleichen einem streitenden Ehepaar, das sich aus finanziellen Gründen nicht scheiden lassen kann. Als Partner sind sie von ihrem gemeinsamen schmutzigen Geheimnis aneinander gekettet, dass jene Gelder, die sie einander schulden, mangels realwirtschaftlichen Gegenwerts nur aus Luft bestehen. Beide müssen sich selbst, einander und vor allem dem Rest der Welt vortäuschen, dies nicht zu wissen.<p>
Glauben und Wissen
<p>Das Wort Kredit kommt bekanntlich vom lateinischen credere, und das bedeutet glauben. Das besondere am aktuellen Kreditverhältnis zwischen Staat und Finanz besteht darin, dass beide Teile wissen, ihrem Glauben an die Rückzahlung nicht mehr glauben zu können, und sich dennoch gezwungen sehen, aus kurzfristigen pragmatischen Gründen daran festzuhalten.<p>Das Gesamtbild der finanzpolitischen Weltlage lässt sich gut mit dem sogenannten Hütchenspiel vergleichen. Alle Mitspieler arbeiten daran, dass unentdeckt bleibt, dass unter dem einen Hütchen, unter dem etwas sein müsste, nichts ist. Dieses Nichts ist der Inhalt der Blase. Wir alle leben mittlerweile in dieser Blase, wenn auch nicht freiwillig.<p>Dabei tun wir so, als wäre uns nicht bewusst, dass bisher alle Blasen der Weltgeschichte geplatzt sind. Kinder wissen das von den Seifenblasen und von den Kaugummiblasen. Physiker haben eine Formel entwickelt für die Berechnung der Blasenentwicklung bis zum Platzen. Uns aber bleibt nichts anderes übrig, als dieses Wissen zu verdrängen, um weiter spielen zu können.<p>Die quantitativen Lockerungen der Zentralbanken kommen weder bei den Produzenten noch bei den Konsumenten an. Sie bleiben in der Blase, aus der sie kommen. Trotz wachsender Geldmenge zeigt sich bei Güterpreisen keine Inflation. Nur Anlagegüter wie Immobilien werden von der Blase in ihrem Wert mit aufgebläht, so dass ihr Spekulationswert den Realwert übersteigt.<p>
Man kann das auch kürzer sagen: Mit dem Realwert von Realitäten ist es vorbei. Ins Betongold haben sich luftige Bläschen eingenistet. Der Philosoph Robert Pfaller hat in seinem Buch "Die Illusionen der Anderen" Phänomene analysiert, bei denen Menschen an etwas glauben, das sie zugleich nicht wirklich glauben, weshalb sie diesen Glauben jeweils anderen Menschen zuschreiben: "Warum müssen wir lachen, wenn im Theater ein Schauspieler niesen muss, während er einen Toten spielt? Gewiss, eine Illusion ist zerstört worden, doch wessen Illusion ist es eigentlich gewesen? Haben wir etwa geglaubt, der Schauspieler sei tatsächlich tot? Hat das irgend jemand im Saal gemeint? Die Illusion, die zerstört wurde, gehört dem anderen, niemals mir selbst." Pfaller nennt das die "anonymen Illusionen".<p>Ab einer gewissen Höhe der wechselseitigen Verschuldungen von Finanzwirtschaft und öffentlichen Haushalten schwindet der Glaube an den Kredit. Der Staat versucht dies mit einer Erhöhung der Kreditsumme zu kompensieren, um Zeit zu gewinnen. Die Kreditpartnerschaft zwischen Finanz und Staat gleicht damit einem Casinospiel, in dem angesichts des drohenden Ruins noch eine weitere Runde beschlossen wird - mit der Besonderheit, dass die Plastik-Spieljetons nicht gedeckt sind, weil die Spielbank längst pleite gegangen ist. Damit hat das Geld aufgehört, Geld im herkömmlichen Sinne zu sein. Es ist zu einer Illusion der Anderen geworden.<p>
Mikro-Illusionen
<p>Als Illusion der Anderen wird das Geld der Makroblase in Mikro-Illusionen umgemünzt. Ein gutes Beispiel für so ein Bläschen ist Public Private Partnership. Im Vordergrund einer solchen Kollaboration stehen Wetten, an wem die aus der Partnerschaft erst entstehenden Risikokosten letztendlich hängen bleiben. Die lange Zeitstrecke zwischen Vertrag und Erfüllung zwingt Politiker wie Manager zu kurzfristig pragmatischem Handeln. Weder der Politiker noch der Manager werden 30 Jahre später noch im Amte sein, geschweige denn zur Verantwortung gezogen werden können.<p>Die Politik spekuliert auf Wählergewinn durch Verleugnung der Schuldenlast. Die Bank spekuliert darauf, Anlegern glaubhaft machen zu können, nicht nur in eine als sicher geltende Immobilienanlage investiert zu haben, sondern auch in die Öffentliche Hand, die trotz Überschuldung immer noch als sicherer Hafen gilt.<p>Damit ist aus dem realwirtschaftlichen Geschäft ein Blasengeschäft geworden, bei dem wie im Spielcasino auf unwahrscheinliche Zukünfte gesetzt wird, um kurzfristig budgetäre bzw. bilanztechnische Gewinne zu erzielen. Der Unterschied zu einem Spielcasino besteht immerhin darin, dass das verwettete Geld nicht vom Spieler selbst aufgebracht wird. Den Wetteinsatz finanzieren auf kommunaler Seite die gegenwärtigen und zukünftigen Steuerzahler, seitens der Banken die verführten Anleger. Das finanzpolitische Gegengeschäft ist ein Geschäft gegen den Bürger.<p>Ein anderes Bläschen ist die wachsende Regulierung immer kleinerer Details, beispielsweise im Bauwesen. Auch die Überregulierung ist eine Folge der Verpartnerung von Staat und Privat in einer Finanzblase. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine Partnerschaft zwischen Finanzmacht und Staatsmacht, sondern zwischen EU-Organen einerseits und auf der anderen Seite marktbeherrschenden Großunternehmen, die mittels Lobbying ihre Produktinnovationen gegen den Markt durchsetzen wollen.<p>
Zwangskonsum
<p>Bisher hat Marktwirtschaft so funktioniert, dass Unternehmen den Wandel der Bedürfnisse der Konsumenten beobachtet und zu deren Befriedigung verbesserte Produkte entwickelt haben. Sie waren von der Komsumnachfrage abhängig.<p>In der neuen Partnerschaft zwischen Marktmächtigen und Staatsmächtigen ist eine Erweiterung der Gesamtnachfrage möglich geworden. Neben dem Markt für Produkte, die der Konsument wünscht, hat sich ein zweiter Markt für gesetzlich verordnete Produkte etabliert. Neben den freiwilligen Konsum ist der Zwangskonsum getreten. Für Big Player ist es billiger, eine Produktinnovation über Lobbying zu vermarkten, als über Werbung an die Konsumenten. Ein Beispiel: 2012 wurde die Kärntner Bauvorschrift dahingehend verändert, dass "in Wohnungen in den Aufenthaltsräumen, ausgenommen Küchen, Rauchwarnmelder eingebaut werden müssen, unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Errichtung." Egal ob Altbau oder Neubau, Haus oder Wohnung, an der Decke jedes Wohnzimmers und Schlafzimmers muss ein hässliches weißes Kästchen kleben.<p>Versicherungen freuen sich - immerhin entstehen Brände nicht selten in der Küche, wo mit Feuer hantiert wird. Was, wenn dann im Schlafzimmer der Deckenschmuck fehlt? Ebenso freuen sich die Rechtsanwälte, und die Hersteller von Feuermeldern am allermeisten. Könnte Lobbying dahinter stecken? Dazu ein zweites Zitat aus dem Jahre 2014: "Google kauft das Unternehmen Nest für 3,2 Milliarden Dollar. Dieses stellt Rauchmelder und Thermostate her, die mit dem Internet verbunden sind. Google bekommt die Daten von den installierten Geräten." Ein Manager des Unternehmens betonte, dass für ihn zwar sichtbar sei, "wenn Leuten ihr Toast verbrennt", ihm aber bewusst sei, dass die Menschen derartige Informationen als "eine sehr private Angelegenheit" sähen. Deshalb würden Daten aus der Beobachtung des Haushalts nur dann an Behörden weitergegeben, wenn diese das "gut begründen". Außerhalb der Marktwirtschaft hat sich ein neuer Sektor der Zwangswirtschaft eta-bliert, in dem Bürokraten und Lobbyisten ihren jeweiligen Machtinteressen gemäß kooperieren. Begründet werden die neuen Normen meist mit der Steigerung von Sicherheit. Neue Produkte und Geräte müssen mehr Sicherheit nicht nur gewährleisten, sondern oft auch überwachen.<p>
Anpassungen
<p>In der Folge richtet die Industrie ihre Produktentwicklung am neuen Public Partner aus. Ingenieure denken darüber nach, wie ein Produkt funktionieren müsste, das Messwerten entspricht, die man mittels Lobbying bei Politikern als neue Standardwerte vorschlagen und normieren lassen könnte. Mit diesem Vorgehen wird es mächtigen Großunternehmen möglich, den Wettbewerb auszuhebeln und eine "innovative" Gerätegenera- tion dem gesamten Markt aufzuzwingen, zum Schaden der Konsumenten.<p>Bürokraten lieben solche Innovationen, erlauben sie ihnen doch, eine weitere Norm zum vorgeblichen Schutz der Menschen oder des Weltklimas zu produzieren und damit die Aufrechterhaltung ihrer Planstelle für ein weiteres Jahr legitimiert zu haben.<p>Die Industrie sieht sich vom Wettbewerb gezwungen, den Vertriebskanal des Normierungs-Lobbyings zu nutzen und spezielle Innovationen für den Politikerbedarf zu generieren. Der abnehmende Kaufwille wird erfolgreich durch Kaufzwang ersetzt.<p>Doch wie hängt die Public Private Partnership zwischen Lobbyisten und Bürokraten mit der Blase zusammen, in der Finanz und Staat in einer Partnerschaft zusammenleben, die man paartherapeutisch nur als "Co-Abhängigkeit" beschreiben kann?<p>Die neuen Reglementierungen und die damit durchgesetzten Produkte werden meist mit einem angeblichen Sicherheitsbedarf begründet. Auch dieser ist eine "Illusion der Anderen". Niemand empfindet diesen Bedarf wirklich, aber gemeinsam glauben alle daran, dass andere diesen Bedarf verspüren. Doch warum akzeptiert die Bevölkerung klaglos immer mehr Regulierungen, Alltagsverbote, Freiheitseinschränkungen, Kaufzwänge und Überwachungstechnologien?<p>
Kurzfristiges Denken
<p>Jedes Sicherheitsversprechen basiert auf einer wachsenden Angst. Das unter Angst stehende Individuum verzichtet gern auf Freiheit und Selbstbestimmung. Wie sollte es nicht Angst machen, wenn die Politik keine Politik mehr macht, sondern Finanzpolitik, und wenn die Wirtschaft nicht mehr marktwirtschaftlichen Gesetzen folgt, sondern finanzwirtschaftlichen Diktaten?<p>Nicht nur hat sich die Demokratie in eine Postdemokratie verwandelt, sondern auch die Ökonomie in eine Postökonomie. Gemeinsam ist beiden, dass zugunsten kurzfristiger Vorteile eine Wette prolongiert wird, deren Wetteinsatz fremdfinanziert ist und an dessen Rückzahlung niemand mehr ernsthaft glaubt.<p>Je mehr die großen Institutionen die großen Probleme der Welt nicht mehr lösen können, um so mehr konzentrieren sie sich auf das Beherrschen der kleinsten. Weil die globalisierte Welt nicht regierbar ist, bleibt nur das Alltagsleben des Bürgers regulierbar. Sicherheitsvorschriften und Sicherheitstechniken kompensieren symbolisch im Kleinen, was an Sicherheit im Großen verloren ist. Während die Banken gerettet werden, steht für den Bürger keine Rettung in Aussicht.<p>Die Blase gebiert Bläschen: Aufgeblasenheiten, Hohlheiten und seifige Versprechen haben und sind jetzt die Konjunktur. Luftnummern überflügeln die härtesten Zahlen. In einer solchen Situation müssen wir dankbar sein, wenn uns von der Schlafzimmerdecke das wachsame Auge Googles anblickt wie einst das Auge Gottes aus dem Herrgottswinkel.<p>
Wolfgang Pauser, geboren 1959 in Wien, studierte Philosophie und Rechtswissenschaften, lebt als
freiberuflicher Essayist in Wien. Er unterrichtete an der Angewandten und der TU Wien; Beratung und Publikationen für Unternehmen.