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"Bis der Kopf auf das Deckenlager fällt"

Von Arian Faal

Politik

2014 bereits mehr als 65 Hinrichtungen in Saudi-Arabien - UNO besorgt.


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Riad/Wien. "Bis der Kopf auf das Deckenlager fällt." Mehr als 65 Mal ist dieser Satz heuer in Saudi-Arabien bereits ausgesprochen worden. Nämlich vom Scharfrichter - vor den Enthauptungsritualen am Freitag. Auch nach dem heutigen Freitagsgebet kommen die "Arabischen Klingen" wieder zum Einsatz.

"Trotz zahlreicher Aufrufe von Menschenrechtsorganisationen fährt Saudi-Arabien regelmäßig mit seinen Exekutionen fort und verstößt damit in schamloser Weise gegen internationale Rechtsstandards", kritisiert Christof Heyns, UN-Sonderberichterstatter für außergerichtliche, wahllose und willkürliche Hinrichtungen. Schockiert zeigt sich auch "Handelsblatt"-Korrespondent Martin Gehlen im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Er war erst vor einigen Tagen bei einer dieser Freitagshinrichtungen in Riad dabei. "Es ist absolut schlimm. Mir lief es eiskalt über den Rücken bei den Enthauptungen. Diesen Anblick sind wir ja nicht gewohnt", zeigt sich der Journalist betroffen.

Versteinerte Zuschauer

Er sei nur zufällig nach dem Freitagsgebet zum Al-Safah-Platz in Riad gekommen und ihm sei die verstärkte Polizeipräsenz sofort ins Auge gestochen. Erst dann wurde ihm klar, worum es eigentlich geht: Versteinert steht hier immer eine etwa tausendköpfige Menge hinter den Absperrgittern und verfolgt die großen Gestalten in weißen Gewändern, wie sie zur Mitte des Platzes schreiten. Hüfthohe, silbrige Krummsäbel blitzen in den Händen der Henker. Die Augen sind hinter Sonnenbrillen verborgen, Mund und Nase verhüllt, der Kopf mit dem üblichen Kufiya-Tuch bedeckt. Die Scharfrichter warten, bis die Verurteilten vorgefahren werden. Dann drücken sie den Nacken zurecht und schlagen zu. Der Kopf rollt und die Decken werden blutig.

Der Trend, der sich bereits 2011 abzeichnete, setzt sich leider auch 2014 fort: Damals war Saudi-Arabien laut einer "Economist"-Studie im Demokratie-Ranking auf Platz 161 von 167 Ländern gelandet. Im wahhabitisch-konservativen Rechtssystem des Königreichs basiert der Alltag auf Grundlage der Scharia. Schon die Verfassung und die Gesetze in Saudi-Arabien gründen auf strengen Regeln des Islam. So ist es laut saudischen Religionsführern nicht Aufgabe der Regierung, "Konsens innerhalb der Bevölkerung herzustellen", sondern "die Gebote und Verbote Gottes im gesellschaftlichen Leben zur Geltung zu bringen". In Riad wird indessen weiterhin geköpft, ausgepeitscht und gekreuzigt.

Was der Westen bei der extremistischen Terrormiliz Islamischer Staat (IS) als barbarisch verurteilt, ist hier Bestandteil des Alltags.

Widerstand in der Gesellschaft

Gehlen sieht dennoch ein vielfältiges Land mit Gefahren für Führung unter dem gesundheitlich schwer angeschlagenen 90-jährigen König Abdullah: "In der Gesellschaft wächst das Gefühl, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Und dieses Denken ist
ein starker Widerspruch zu den Handlungen der Behörden, die massenhaft Menschenrechtler einsperren", meint er.