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Bis die Rettung kommt

Von Daniel Bischof

Turbulenter Prozess um Mann, der Mädchen begrapscht haben soll.


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Wien. Mit einem Rettungseinsatz endete am Freitag ein Prozess am Wiener Straflandesgericht. Weil der Angeklagte angab, "nicht mehr zu können" und ihm schwindelig sei, musste die Rettung gerufen und die Verhandlung unterbrochen werden. Der 55-jährige Angeklagte machte einen benommenen Eindruck, konnte sich allerdings aus eigener Kraft zum Gerichtsausgang begeben. Einen Seitenhieb konnte er sich beim Verlassen des Gerichtssaals nicht verkneifen: "Ich wünsche Ihnen eine gute Karriere", sagte er zur Staatsanwältin.

Überhaupt kann er sich nicht erklären, was der Strafprozess soll. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft Wien, dass er zwei in seiner Wohnung lebende, junge Mädchen begrapscht haben soll, stimme nicht. "Ist hier im Saal eine versteckte Kamera?", fragte er den Vorsitzenden des Schöffensenats, Richter Andreas Böhm.

Böhm hatte es mit einem komplexen Fall zu tun. Der Angeklagte ist seit sechs Jahren in Pension, weil er unter einer bipolaren Psychose und paranoider Schizophrenie leidet. Auch vor Gericht wirkte er verwirrt. Statt Winterschuhen trug er Crocs-Sandalen aus Plastik. Seine zu lange Hose reichte bis auf den Boden. Der massige Mann war sehr unruhig, teils aggressiv und laut.

Kein neues Gutachten

In einem psychiatrischen Gutachten aus dem Jahr 2013 wurde dem Angeklagten attestiert, dass seine Krankheit mal schlimmer, mal weniger schlimm verlaufe. Zugleich wurde festgehalten, dass er derzeit alle seine Angelegenheiten selbst erledigen könne.

"Das reicht der Staatsanwaltschaft, um zu glauben, dass das auch auf 2017 zutrifft", kritisierte Böhm. Ein neues Gutachten gibt es nicht. Das Gericht hat einen Psychiater bestellt, um den Angeklagten zu untersuchen. Über unzurechnungsfähige Rechtsbrecher, die mangels Schuld nicht bestraft werden können, muss nämlich in einem Verfahren zur Unterbringung in eine Anstalt für geistige abnorme Rechtsbrecher entschieden werden. Zum Untersuchungstermin ist der 55-Jährige aber nicht erschienen.

Zum Sachverhalt befragt, gab der Angeklagte - er war eine Zeit lang obdachlos - an, dass er vor einigen Jahren eine Wohnung bekommen habe. Auf der Straße habe er eine Familie - eine Mutter und ihre acht Kinder - kennengelernt. Die ganze Familie sei in seine 36 Quadratmeter kleine Wohnung im Herbst 2015 eingezogen. Nach vier Monaten habe die Familie wegen Beschwerden der Hausverwaltung ausziehen müssen.

Danach ging die Mutter zur Polizei. Der Mann habe zwei ihrer Töchter begrapscht, sagte sie. Der Mann leugnet das. Er vermutet, dass die Frau seine Wohnung haben will. Die zwei Mädchen konnten vom Gericht bisher nicht vernommen werden. Bei der gerichtlichen Einvernahme im Ermittlungsverfahren machten sie einen eingeschüchterten Eindruck und sagten nicht aus.

Unerwartet erschienen sie am Freitag vor Gericht. Böhm hätte sie vermutlich nicht befragt, da dies Kinderpsychologen machen sollten. So weit kam es allerdings nicht: Gleich zu Beginn der Aussage der Mutter reklamierte der Angeklagte, dass er die Rettung brauche. Nachdem kurz diskutiert wurde, wie ernst die Sache sei, ging man auf Nummer sicher. Die Verhandlung wurde auf unbestimmte Zeit vertagt.