Cortolezis-Schlager überrascht vor allem die eigene Partei. | Ab Herbst muss Molterer für Klarheit sorgen. | Die Überraschung ist geglückt: Allerdings zeigten sich vornehmlich die eigenen Parteifreunde vom Ideenfeuerwerk der Leiterin der ÖVP-internen Perspektivengruppe für Bildung bass erstaunt.
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Statt den Brückenschlag zwischen rapide auseinander strebenden Ansichten der verschiedenen Flügel - die Bandbreite reicht hier vom Beamtenboss und offiziellem Bildungssprecher Neugebauer über die vorsichtig liberale Wissenschaftssprecherin Brinek bis hin zu den steirischen Radikalreformern - wenigstens zu versuchen, entschied sich die ehrgeizige Wiener Stadträtin dafür, zunächst einmal am eigenen politischen Profil zu feilen - wohlgemerkt auf Kosten der Gesamtpartei.
Was von der Substanz der Vorschläge übrig bleiben wird, ist eine ganz andere Frage. Schon am Tag, nachdem Cortolezis-Schlager die Öffentlichkeit ebenso wie ihre eigene Partei mit ihren Ideen überrascht hat, begann das große Zurückrudern. Vor allem im Kabinett von Wissenschaftsminister Johannes Hahn war die Verärgerung deutlich spürbar. Mit dem denkbar knappen Kommentar "Der Minister verfolgt andere Prioritäten" wischte dessen Kabinettschef die Forderungen nach dem Aus für den freien Hochschulzugang sowie nach einer Studienplatzbewirtschaftung nach dem Beispiel der Fachhochschulen beiseite.
Ebenfalls bemerkenswert: Die Wiener Stadträtin, die zu Jahresbeginn selbst im Gespräch für ein Regierungsamt war, verzichtete auf eine Vorabinformation ihres eigenen Landesparteichefs und zuständigen Fachministers. Hahn befindet sich derzeit auf Urlaub außer Landes.
Mit den nun präsentierten Vorstellungen - und den, nun ja, sagen wir kontroversiellen internen Reaktionen darauf - macht es die ÖVP der SPÖ leicht. Die Kanzlerpartei weiß, was sie will - die Einführung einer ganztägigen flächendeckenden Gesamtschule, kein Sitzenbleiben, ein verpflichtendes Vorschuljahr, keine Studiengebühren und freien Hochschulzugang. Das sorgt - unabhängig davon, was man im Einzelnen davon halten mag - einigermaßen für Klarheit bei Bürgern.
Die ÖVP befindet sich dagegen nach den Worten von Parteichef Wilhelm Molterer mitten im einem offenen und von Vorgaben weitgehend freien Diskussionsprozess. Das mag vom Zugang her einigermaßen charmant und basisdemokratisch sein. Es droht nur der Eindruck von Orientierungslosigkeit. Es existiert nur leider kaum eine größere Sünde in den Augen der p.t. Wählerschaft.
Molterer wird alle Hände voll zu tun haben, die tiefen Gräben, die dieser Diskussionsprozess in der ÖVP nun aufreißt, im Herbst, wenn sich die Partei auf eine inhaltliche Linie einigen will, wieder zuzuschütten. Leicht wird das nicht werden. Immerhin teilt sich ab dann das Lager der munteren Mitdiskutanten in Sieger und Verlierer. Vor allem Letzteres ist für Politiker nicht leicht zu ertragen.
Gut möglich, dass sich bereits jetzt schon mancher in der ehemaligen Kanzler-Partei wehmütig an die eiserne Disziplin der Schüssel-Ära erinnert. Debatten dieser Art waren da tabu. Abwarten, ob Wähler und Funktionäre die neue Freiheit zu schätzen wissen.