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Bis Mitte 2021 soll es ein Vakzin gegen Covid-19 geben: Wer wird bei der Impfung bevorzugt?

Von Eva Stanzl

Wissen

Impfstoffentwickler Erich Tauber über die Schwierigkeit, den Impfstoff global zu vertreiben.


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Der Pandemie-Herbst soll schwierig werden, doch eine Impfung im Frühjahr soll das Licht am Ende des Tunnels sein. Das ist die Hoffnung der Politik - und wohl auch der Menschen. Die Frage ist nur, wie die Impfung auf die Straße kommt, und wie schnell es gehen kann, ganze Bevölkerungen gegen Covid-19 zu immunisieren. Über gerechte Verteilung und Vakzin-Erzeugung sprach der österreichische Impfstoffentwickler Erich Tauber am Rande der Alpbacher Technologiegespräche mit der "Wiener Zeitung".

"Wiener Zeitung": Impfung bis Frühling oder vielleicht sogar Jänner 2021, Rückkehr zur Normalität im Sommer: Teilen Sie den Optimismus von Kanzler Sebastian Kurz?Erich Tauber: Ob es wirklich so schnell gehen wird, hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Die Schwierigkeit wird nicht sein, morgen 30 Leute zu impfen oder tausende bis zum Herbst. Sondern die Schwierigkeit ist, in einem geordneten, sicheren System reproduzierbar riesige Mengen eines Impfstoffes herzustellen, der immer gleich gut wirksam ist.

Warum ist die Impfstoffherstellung in Mengen so schwierig, wenn man die Zusammensetzung kennt?

Erich Tauber ist Gründer und CEO des Impfstoffentwicklers Themis Biosciences in Wien, eine 100-Prozent-Tochter der US-Pharmafirma MSD. Bie den Aplacher Technologiegesprächen nahm er an einem Panel zum Thema Lebenswissenschaften teil. 
© Eva Stanzl

Es handelt sich um biologische Prozesse, und die sind nicht immer gleich. Für eine Impfung wachsen Viren auf Zellen, und dazu muss man die Wachstumsbedingungen optimal steuern, sodass jede Charge gleich gut ist. Wir sprechen von Bioreaktoren mit tausenden Litern Volumen und Aufreinigungsmethoden, die sich komplett anders verhalten als im kleinen Maßstab. Deswegen dauert es - in der Regel - zehn bis 15 Jahre, bis man Impfstoffe zur Zulassung bringt.

Mehr als 170 Biotech-Unternehmen liefern sich derzeit weltweit ein Rennen um Covid-19-Impfstoffe. Wie funktioniert Ihr Impfstoff, und wie weit sind Sie?

Wir bei Themis Bioscience konzentrieren uns seit zehn Jahren auf Plattform-Technologien, mit denen man schnelle Impfstoffe machen kann, wenn eine Krankheit plötzlich ausbricht. Wir waren bei Zika, Chikungunya und Mers dabei. Somit waren wir vorbereitet auf Covid, das mit Mers verwandt ist, und es ist naheliegend, dass unsere Technologie auch jetzt funktioniert. Wir sind in klinischen Testungen und gehen davon aus, dass wir die klinische Phase III noch heuer beginnen.

Erklären Sie Ihren Ansatz, bitte.

Man geht davon aus, dass Antikörper gegen eine bestimmte Oberflächen-Substanz, das Spike-Protein, das Virus abtöten und neutralisieren. Dann wird man nicht krank. Moderne Technologien, die den Körper dazu bringen, solche Antikörper zu erzeugen, sind mRNA-Impfstoffe wie jene der deutschen Pharmafirmen Biontech oder Curevac, oder virale Vektoren wie von Oxford/Astra Zeneca. Dabei schleust man das Spike-Protein mit einer Trägersubstanz, auch Vektor genannt, in die Zellen. Wir nehmen den Masern-Impfstoff als Vektor und bauen mit genetischen Methoden das Spike-Protein ein.

In wenigen Monaten könnte es eine Impfung gegen Covid-19 geben. Doch ab wann werden sich alle Menschen für ihre Dosen anstellen können?
© REUTERS

Welchen Vorteil hat der Masern-Impfstoff als Träger?

Würden wir das gesamte Coronavirus nehmen, hätten wir komplexe Sicherheitsthemen, denn man weiß derzeit noch nicht genau, wie man das Coronavirus so abschwächen kann, dass es nicht krank macht. Die Vektor-Technologie kürzt den Prozess ab und der Masern-Impfstoff wird seit 50 Jahren verwendet und produziert. Das heißt, das Virus benimmt sich im Körper wie das Masern-Vakzin, aber der Körper erzeugt Antikörper gegen Covid - oder eigentlich gegen das Spike-Protein.

Eine Masern-Impfung immunisiert ein Leben lang. Genesene von Covid-19 sind viel kürzer immun. Was bedeutet das für die Impfung?

Bei Covid blicken wir auf fünf bis acht Monate Erfahrung zurück. Somit wissen wir nicht alles. Aber es gibt wissenschaftliche Evidenz, dass wir einen ausreichend langen Impfschutz schaffen können, man aber möglicherweise alle paar Jahre impfen gehen muss.

Die Firma Merck Sharp & Dohme (MSD) der US-amerikanischen Merck & Co hat Themis übernommen. Ein typisch österreichisches Schicksal?

Ich kann Ihnen nicht erklären, warum Atomic keine und Glock weiterhin eine österreichische Firma ist. Wir haben jedenfalls als Startup begonnen und Seed Financing von der Austria Wirtschaftsservice und der Forschungsförderungsgesellschaft im Wert von 1,5 Millionen Euro bekommen. Investiert haben wir aber bisher 150 Millionen Euro. Somit sind zwei Prozent des Geldes, das wir ausgegeben haben, aus Österreich. Ich tue mir somit schwer, zu sagen, Themis sei eine heimische Firma, obwohl wird den einzigen Standort in Wien haben. Natürlich hätte es aber auch anders laufen können, wie etwa in Deutschland, wo die Regierung 24 Prozent von Curevac übernahm - die aber dann wiederum an die US-Börse Nasdaq ging. Fest steht jedenfalls, dass man Impfstoffentwicklung, wenn man sie erfolgreich und simpel machen will, nicht solitär durchführen kann, schon wegen der Produktionskapazitäten. So wie MSD 190 Millionen Dosen pro Jahr herzustellen, würden wir allein gar nicht schaffen.

Andere Hersteller führen bereits die entscheidende Testphase III an tausenden Probanden durch. Wer wird Ihrer Meinung nach der erste sein?

Für uns ist es nicht wichtig, ein Rennen zu gewinnen. Es wird mit Sicherheit mehrere Impfstoffe geben, weil kein Hersteller ausreichende Kapazität haben wird. Zudem stellt sich die Frage, wie schnell man eine Weltbevölkerung impfen kann. Außerdem sind wir in der westlichen Welt mit einer gehörigen Portion Impfskepsis geimpft. Es wird spannend, zu sehen, wie viele Menschen sich also tatsächlich impfen lassen werden.

Wie viel Schutz muss ein effektives Vakzin bieten?

Das weiß man nicht. Bei Influenza-Impfstoffen ist man mit einer Wirksamkeit von 75 Prozent relativ zufrieden, bei komplexen Krankheiten wie Malaria wären es 50, 60 oder 70 Prozent. Bei Covid könnte es leichter sein, weil man das Problem der verschiedenen Stämme wie bei Influenza nicht hat. Ich gehe von einer Covid-Impfung aus, die näher an 100 als an 50 Prozent sein wird.

Die USA und Europa reservieren schon jetzt ihre Dosen, bevor sie wissen, welche Impfung am besten sein wird. Wie kann eine gerechte Verteilung aussehen?

Es gibt mehrere Mechanismen: Amerika bezahlt Pharmafirmen für künftige Dosen und lenkt im Rahmen der "Operation Warpspeed" alle Ressourcen in die Impfstoffentwicklung. Wenn Sie in den USA derzeit Alzheimer-Forscher sind, kann es Ihnen passieren dass Sie keine Tiere für Tierversuche bekommen, weil alle für Covid Research reserviert sind. Die EU wiederum will eine Milliarde Impfstoff-Dosen kaufen für eine faire Verteilung in Europa. Gerechnet auf die Einwohnerzahl kommen davon drei Prozent nach Österreich. Darüber hinaus gibt es eine Initiative der EU und der CEPI-Stiftung die die auf der ganzen Welt die Impfstoffe zur Verfügung stehen will, wobei die EU der größte Geldgeber ist.

Wer soll zuerst geimpft werden?

Ich gehe davon aus, dass es zuerst Risikogruppen und Menschen in Gesundheitsberufen sein werden, aber man kann nur spekulieren. Schon heute gelangen Impfstoffe ja nicht überall hin. Zwar wird es Firmen in Indien geben, die Impfstoffe wahrscheinlich primär für Entwicklungsländer machen, doch in Afrika kommen Vakzine oftmals nicht an, weil Kühlketten unterbrochen werden oder Straßen fehlen. Es wird ausreichend viele Produkte geben, die hergestellt werden, aber die Frage ist, wie sie auf die Straße kommen.

Manche Experten gehen davon aus, dass es viele Monate wenn nicht Jahre dauern könnte, bis Menschen in aller Welt geimpft sind.

Ich gehe davon aus, dass die bestellten und zugeteilten Rationen bis Mitte 2021 in Europa produziert sind und ausgerollt werden, und hoffe, dass sich die Erwartungen der Hersteller erfüllen. Die Frage ist, wie lange es dauert, bis man die Impfstoffe weltweit auf die Straße bringen kann.

Zur Person~