In Korea herrscht Kriegsgefahr, in Euroland ist die Situation "außerordentlich ernst", nur Österreich diskutiert, wer Lehrer anstellen darf und wer nicht.
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Leben wir in einem Paralleluniversum? Möglicherweise stehen wir ähnlich wie die Wien-Touristen, die sich zur Mittagsstunde vor der Anker-Uhr am Hohen Markt sammeln, vor einer mechanischen Innenpolitik, in der in regelmäßigen Abständen eindrucksvolle Figuren in die Öffentlichkeit geschoben werden:
Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll, der in der Umhängetasche nach so vielen Monaten Hintergrundarbeit endlich ein budgetäres Sanierungspaket mitführt, aus dem aber bloß Zettel herausfliegen, die von anderen sofort zerrissen werden.
Ein Landeshauptmann mit dem gleichlautenden Familiennamen, also Erwin Pröll, der mit voller Energie die Kompetenz der Bundesländer für Lehrer einfordert, während alle Bildungspolitiker längst einen Bammel vor der nächsten Pisa-Studie haben, die zeigen wird, dass die Kinder schon wieder weniger gelernt haben.
Ein Bundeskanzler Werner Faymann, der den Schluss der Debatte verkündet, ohne dass im Debat-tierklub überhaupt jemand zuhört.
Ein Nationalbankgouverneur Ewald Nowotny, der im Wanderzirkus der berechenbarste Marschierer ist, weil er seit der Bawag-Krise immer das Schönwetter verkündet, wenn es draußen am grauslichsten ist, und behauptet, das Schlechtwetter sei bloß eine Wahnvorstellung der Meteorologen. Oder, wie soeben jetzt, eine merkwürdige Wahrnehmung der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die ihn "irritiere". Diese hat nämlich am Montag gesagt, es gebe eine "außerordentlich ernste Situation" für den Euro.
Fügt man noch ein paar andere der blechernen Kreisläufer dazu wie den Rechnungshofpräsidenten, die Minister für Äußeres und Wirtschaft und natürlich Wiens Bürgermeister - das ergibt einen eindrucksvollen Aufmarsch, über den Kopernikus recht gut eine Österreich-Ausgabe seines Werkes über die "Drehungen der Himmelskreise" ("De Revolutionibus Orbium Coelestium") herausbringen könnte, wäre er noch am Leben. Schwerpunkt: Bei uns ist alles anders, aber es ändert sich nichts.
Der Grund, dies ausgerechnet jetzt zu erwähnen, liegt einzig daran, dass die Koalitionsregierung im Volk seit ihrem Bestehen noch nie so unverstanden gewesen ist wie derzeit. Vor allem Josef Pröll hat sich im monatelangen Ringen um das Budget ein Akzeptanzproblem zugelegt wie eine Influenza. Auch die Österreicher, die absolut nichts von dem hergeben möchten, was ihnen gehört, verstehen den Weg Prölls zur Sanierung des Staatshaushaltes nicht mehr. Und sowohl Eltern als auch Nichteltern, Lehrer und Nichtlehrer können sich keinen Reim darauf machen, warum in dieser wirtschaftlichen und bildungspolitischen Misere die fähigsten politischen Köpfe ihre Energie für einen Macht- und Kompetenzstreit verschwenden.
Liegt es an den Beratern? Dann müsste man diese so rasch wie möglich durch bessere ersetzen. Oder liegt es an denen, die sich beraten lassen, aber die falschen Konsequenzen ziehen? Dann sollte deren bis 2013 projektierter Figurenlauf unterbrochen werden - durch Rückzug mangels Leistung. Österreich benötigt nämlich nicht nur Politiker, die endlich die Staatsreform angehen. Es müssten auch welche Auskunft geben, was mit diesem Land geschieht, wenn im Euroraum nacheinander Griechenland, Irland, Portugal und Spanien zahlungsunfähig werden oder es schon sind.
Der Autor ist Sprecher der Initiative Qualität im Journalismus; zuvor Journalist für "Wirtschaftsblatt", "Presse" und "Salzburger Nachrichten".