Eine Studie der renommierten Carnegie Mellon Universität untersuchte die Social-Media-Accounts, die Covid-19 thematisieren - und für eine Öffnung der US-Wirtschaft plädieren. Die USA sind mit fast 100.000 Toten weiterhin globaler Hotspot der Pandemie.
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Washington. Politiker verweisen oft auf den "Willen des Volkes". Und bei entgegengesetzten Meinungen ist ein Totschlagargument, was die vermeintliche Mehrheit wolle. Doch wie die Meinungen in der Bevölkerung und wie sie gestreut sind - das ist in Zeiten von Social Media oft schwerer herauszufinden als davor.
Die Rede ist hier von den vermeintlichen Stimmen aus dem Volk, hinter denen sich oft eingerichtete Tools des Internets verstecken. Programme, die konfiguriert werden, um das gewünschte "Verhalten" an den Tag zu legen.
Diese "Bots" haben dann oft eigene Twitter-Accounts, mimen einen Menschen und twittern, was das Zeug hält. Sie lösen, je nach Masse und Programmierung, online damit oft einen Schneeball-Effekt aus. Plötzlich wird ein Thema sichtbar, das vorher nur in den Verschwörungsecken zuhause war. Auf einmal gilt es als breitenwirksam.
Die Forscherin Kathleen Carley und ihr Team im Center for Informed Democracy & Social Cybersecurity von der renommierten Carnegie Mellon Universität verfolgen Twitter-Bots und deren Einflussnahme schon seit langem. Laut Carley wird in Wahlkampfzeiten oder bei Naturkatastrophen der Online-Diskurs zu 10 bis 20 Prozent von Bots mitgestaltet.
200 Millionen Tweets untersucht
Eine neue Studie von Carley hat aber in Sachen Coronavirus festgestellt, dass Bots hinter 45 bis 60 Prozent aller Twitter-Accounts stehen, die Covid-19 diskutieren. Dazu wurden mehr als 200 Millionen Tweets untersucht. Viele der Twitter-Konten wurden erst im Februar gegründet. Was sie gemeinsam haben: Sie verbreiten Desinformation, inklusive falscher medizinischer Ratschläge und krude Theorien über den Ursprung des Virus. Und: Sie machten sich zuletzt besonders darin bemerkbar, als dass sie gerade in den USA gegen ein Ende des Lockdowns Stimmung machen und für eine Öffnung der US-Wirtschaft plädieren. Nicht unähnlich dem, was US-Präsident Donald Trump immer wieder einfordert.
Die Corona-Bots sind zwar vom Thema her neu, aber sie folgen altbekannten Mustern, die bei Bots schon früher festgestellt wurden. Sie scheinen sich zu koordinieren und bauen eine eigene Echokammer auf Twitter auf. Damit werden auch humane Twitter-Nutzer beeinflusst und wird eine Polarisierung verschärft.
Was bringt das? Einerseits lassen sich mit solchen Kampagnen eben öffentliche Meinungen gezielt beeinflussen. Andererseits kann man auch Zwietracht in einem Land säen, falls man eine ausländische Macht ist - oft wird in diesem Zusammenhang Russland oder China genannt. Oder man ist einfach nur an einer disruptiven Stimmung interessiert, um daraus etwas Neues aufzubauen - Stichwort Steve Bannon, der ehemalige Trump-Berater und Gründer der Webseite Breitbart.
Es wird auch immer einfacher, Unternehmen zu finden, die solche Kampagnen programmieren können.
Die Forscherin Carley zeigt sich allerdings nicht nur ob des Volumens der neuen Bots besorgt. Sondern auch von der Tatsache, dass es immer schwieriger wird, die Bots von den Menschen zu unterscheiden. Bots vernetzen sich mittlerweile noch besser, verwenden Strategien, um spezielle Gruppen zu erreichen, und solidarisieren sich mit den Accounts von "echten Menschen", die radikale Meinungen forcieren.
In den USA sind mittlerweile fast 100.000 Menschen an dem Virus gestorben.