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Bis zum letzten Mann

Von WZ-Korrespondentin Birgit Svensson

Politik

Vier Tage dauerte die Eroberung Mossuls durch den IS, fast neun Monate die Befreiung.


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Kairo. Iraks Premierminister Haidar al-Abadi war voreilig, als er am 29. Juni bereits das Ende des Kalifats twitterte. Auch sein Besuch in Mossul zehn Tage später war noch von Schießereien und Gewehrfeuer in einigen Stadtvierteln begleitet. Deshalb legte er sich nur kurz die irakische Fahne um den Hals, ließ die Kameras des staatlichen Fernsehsenders "Iraqia" schnell Bilder in die Welt senden und flog dann eilig zurück nach Bagdad.

Der Sieg wurde am Sonntag gefeiert, am Montagabend war die Schlacht dann auch vorbei. Die IS-Kämpfer hielten zum Schluss nur noch kleine Gebiete am Fluss Tigris. Der Kampf um die ehemals zweitgrößte Stadt Iraks ist beendet, auch wenn noch in den nächsten Tagen und Wochen immer wieder Widerstand aufflammen wird, Attacken stattfinden werden und die Bewohner verunsichert sind, ob sie zurückkehren können oder nicht.

Die irakische Armee rücke gegen die verbliebenen Dschihadisten in einem kleinen Gebiet unter IS-Kontrolle am Fluss Tigris vor. Die Soldaten begegneten immer wieder Rufen wie "wir kapitulieren nicht, wir wollen sterben".

Am Sonntag war die Armee mit Luftunterstützung der US-amerikanisch geführten Anti-IS-Koalition in den letzten Rückzugsort der Terrormiliz in Westmossul einmarschiert. Sie hisste die irakische Fahne am Ufer des Tigris und in der Altstadt. Das Staatsfernsehen spielte die Nationalhymne und zeigte feiernde und tanzende Soldaten.

700.000 Flüchtlinge

Allerdings waren die Bilder vom Tahrir-Platz in Bagdad und nicht aus Mossul. Die Vereinten Nationen sprechen von 700.000 Flüchtlingen, die allein den Westteil der Stadt verlassen haben. Andere Quellen sagen, es sei eine Million gewesen. Vor der Einnahme der Stadt durch die Terrormiliz IS im Juni 2014 zählte Mossul fast zwei Millionen Einwohner auf beiden Seiten des Tigris.

Ein Kampf bis zum letzten Mann: so hatte es der selbst ernannte Kalif, Abu Bakr al-Bagdadi, befohlen, als absehbar war, dass seine Miliz den ausgerufenen Staat in seinen Grenzen nicht wird halten können. Er selbst hat schon vor einigen Monaten Mossul verlassen.

Der große Rest seiner vor allem ausländischen Kämpfer ist entweder in der Schlacht getötet worden oder hat sich ebenfalls aus der Stadt abgesetzt. Zurückgeblieben sind vor allem die Iraker, die dem IS zur Einnahme Mossuls vor gut drei Jahren verholfen haben. Denn die Dschihadisten alleine hätten die Kontrolle über die Millionenstadt nicht übernehmen können. Dafür brauchten sie Mitstreiter und Sympathisanten, die sie in Mossul zuhauf vorfanden. Während der IS nur vier Tage brauchte, um die Stadt einzunehmen, dauerte es fast neun Monate, um sie zurückzuerobern.

Hochburg des Militärs

Schon die US-Amerikaner hatten während ihrer neun Besatzungsjahre Mühe, die Kontrolle über Mossul zu gewährleisten. Oft entglitt sie ihnen komplett. Der mittlerweile erkannte grobe Fehler von US-Administrator Paul Bremer, die Sicherheitskräfte Saddam Husseins über Nacht aufzulösen, entpuppte sich vor allem in Mossul als Bumerang.

750.000 Soldaten der ehemaligen Hussein-Armee saßen Ende 2003 auf der Straße mit der Sorge um die Ernährung ihrer Familien. Mossul galt schon zu Zeiten Saddam Husseins als Hochburg der Militärs, mit riesigen Waffenlagern und wichtigen Munitionsfabriken. Nach dem Rauswurf schlossen sich nicht wenige schnell dem Widerstand gegen die Besatzungsmacht an und verbündeten sich mit den internationalen Terroristen von Al Kaida-Vorläufer des IS.

Als die Dschihadisten aus Syrien kommend sich auf den Irak zu bewegten, sahen sie ihre Stunde gekommen. In Bagdad herrschte Nuri al-Maliki, der aus seiner religiösen Gesinnung als Schiit gegen die Sunniten keinen Hehl machte und ihnen kaum Platz im neuen Irak einräumen wollte. Selbst der damalige Kommandeur der Division im mehrheitlich sunnitischen Mossul war ein aus dem südirakischen Basra "importierter" schiitischer General, ohne größere Ortskenntnisse. Anhand von Telefonabhörprotokollen konnten die Mitglieder des später eingesetzten parlamentarischen Untersuchungsausschusses sehr genau die Unfähigkeit dieses hohen Offiziers nachvollziehen, Mossul zu halten.

Erst im Oktober 2016 gab der jetzige Premier Abadi, ebenfalls ein Schiit, den Befehl zur Rückeroberung der Stadt. Viel Zeit zur Vorbereitung auf die Schlacht um die Millionenstadt im Nordirak war verstrichen. Husseins ehemalige Offiziere konnten in Ruhe junge Dschihadisten ausbilden und trainieren. Die Erfahrung aus drei Golfkriegen gaben sie weiter. Ihrem Ansinnen, die Seiten zu wechseln, als der Terror des IS mitsamt seiner extremistischen Auslegung des Islam sich auch gegen sie wendete, wurde seitens der irakischen Regierung unter Abadi abgelehnt. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als bis zuletzt um Mossul zu kämpfen. Jetzt haben sie alles verloren.