Schüssel legt sich fest: Grasser wieder Finanzminister. | Gastinger "interessant und qualifiziert". | Kanzler tadelt Taus. | "Wiener Zeitung": Im letzten Wahlkampf haben Sie, so wie jetzt, über Personalia nicht viel gesagt, aber eines stand fest: nämlich der künftige Finanzminister. Steht der auch dieses Mal schon fest? | Wolfgang Schüssel: Vorausgesetzt, ich bekomme soviel Vertrauen, dass ich mit der Regierungsbildung beauftragt werde: Ja.
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Karl-Heinz Grasser ist der einzige, der feststeht?
Ich trete mit diesem Team an und weiß natürlich nicht, wie viele Ministerien wir zu besetzen haben. Niemand hat ein fixes Ticket.
Justizministerin Gastinger hat kein Angebot der ÖVP. Aber halten Sie es für möglich, dass man sich später mit einem Koalitionspartner auf sie als Ministerin einigt?
Ich registriere, dass es insbesondere aus dem Justizbereich großes Interesse an einem parteiunabhängigen Justizminister gibt. Karin Gastinger ist dafür sicherlich eine interessante und qualifizierte Persönlichkeit. Sie hat jedenfalls Interesse gezeigt, für ein solches Amt zur Verfügung zu stehen.
Einen Vizekanzler Schüssel wird es nie mehr geben?
Sicher nicht, nein.
Was ist der zentrale Satz Ihres Wahlkampfes?
Wir sind die Mutmacher, und die anderen sind die Angstmacher.
War das ein Wahlkampf: "Alle gegen einen"?
Ja, aber das war mir von Anfang an klar. Das ist das Schicksal der Nummer eins, dass sie von allen anzuknabbern versucht wird. Aber wie Sie sehen, sind wir noch recht munter.
Wie klug war der Besuch von Dr. Taus bei Elsner?
Taus ist Privatmann. Ich hätte Elsner mit Sicherheit nicht besucht. Der Mann ist immerhin verantwortlich für den größten Polit- und Wirtschaftsskandal in der Zweiten Republik. So etwas kann sehr leicht missverstanden werden. Da werden alle möglichen Verschwörungstheorien geschmiedet, die mit Sicherheit nicht stimmen.
Dazu kommt aber auch Ihre Visite auf Einladung der Bawag in Sofia und Ihre Intervention zugunsten des Mobilkom-Deals, der damals in Vorbereitung war . . .
Der war damals schon abgeschlossen. Und der Besuch in Bulgarien war nichts Geheimes, sondern ein Riesenfest, über das lange im Fernsehen und allen Zeitungen berichtet wurde. Die Staatsoper gab ein Galakonzert mit allen Stars. Ministerpräsident Simeon wollte nur kommen, wenn auch ich dort bin. Da hab ich gesagt: Gern, aber dann will ich auch ein Arbeitsgespräch. Auf der Bühne überreichten wir drei oder vier Bösendorfer-Klaviere an die Musikschule, ich fuhr nach dem halben Essen wieder nach Wien.
Wenn jetzt einer glaubt, das ist ein Skandälchen, ist das absurd, Schwachsinn. Das war auch keine Lustreise. Das war eine Goodwill-Aktion für die österreichische Wirtschaft und die bilateralen Beziehungen.
Wir sind heute in Bulgarien der Nummer-eins-Investor, genauso in Rumänien, mit der OMV, mit der Erste Bank. Darum habe ich mich gekümmert, das ist mein Job. Wir haben uns einen Markt von ungefähr hundert Millionen Menschen erschlossen, die jetzt bei uns durch unsere Exporte Arbeitsplätze sichern. Jeder Bundeskanzler, Bundespräsident, Minister muss sich in den Dienst dieser gemeinsamen Sache stellen.
Aber warum flogen Sie mit dem Bawag-Flugzeug?
Mit einer Linie wäre es sich zeitlich nicht ausgegangen. Das einzige, was man mir vorwerfen kann, ist dass ich die Kosten nicht dem Steuerzahler verrechnet habe. Das kann man das nächste Mal, wenn das gewünscht wird, natürlich auch so machen.
Ist es für Sie eigentlich denkbar, dass die Haftung des Steuerzahlers für die Bawag-ÖGB-Krise über diese 900 Millionen Euro hinaus noch ausgeweitet werden könnte?
Mein Ziel ist, dass die Haftung überhaupt nicht schlagend wird. Ich erwarte auch vom ÖGB, dass er durch einen professionellen Gesamtverkauf der Bawag sowie durch eigene Opfer und Offenlegung seines Vermögens Alles dazu beiträgt, dass der Steuerzahler überhaupt nicht zur Kasse gebeten wird. Allerdings kann ich das nicht ausschließen.
Fühlen Sie sich von der Bemerkung des Bundespräsidenten angesprochen, der es getadelt hat, wenn man eine demokratische Partei als pauschal im Sumpf eines Bankenskandals untergehend darstellt?
Ich habe niemandem pauschal eine Nähe unterstellt, aber die Aufklärung über die politische Verantwortung ist doch selbstverständlich. Immerhin hat Kirchschläger immer wieder gemahnt, dass hier Aufklärung notwendig ist, und der heutige Bundespräsident wird das wohl nicht anders sehen können.
Ungarn durchlebt eine schwere Krise, weil der Regierungschef zugegeben hat, dass er jahrelang nur gelogen hat. Kann das auch in Österreich passieren? Es sagen ja ohnedies schon manche, alles sei Lüge, was Politiker sagen.
Aber das gilt eher für die politischen Mitbewerber, die den Eindruck erwecken, als könnte man gleichzeitig alles an Entlastungen versprechen und nichts an Opfern verlangen; dass Sparen verpönt sei und sich die Schulden von selbst abbauen. Ich stehe seit vielen Jahren dafür, dass man den Menschen zwar Hoffnung gibt, aber auch immer realistisch sagt, was ist. Das habe ich 1995 bei den Pensionen gemacht, wofür ich wahnsinnig verunglimpft worden bin. Die jetzigen ungarischen Argumente hätten damals eigentlich gegen die SPÖ und gegen Franz Vranitzky platziert werden können. Ich bin immer dafür eingetreten, dass man eine stabile und finanzierbare Budgetpolitik macht und gleichzeitig durch Entlastungen langsam den Staatsanteil absenkt. Was gelungen ist. Wir sind heute um drei Prozent unter der Abgabenquote von 1999.
Aber auch Sie versprechen nach den Jahren des Sparens kleinere Schulklassen und eine Steuerreform ab 2008. Gleichzeitig sind der Abfangjägerkauf und die Uni-Milliarde zu bezahlen. Das sind ganz ordentliche Belastungen.Ja, aber das sind Investitionen. Die Uni-Milliarde ist eine Investition in die Bauten der Universität und die Ausrüstung, finanziert über die Bundesimmobiliengesellschaft, die übrigens eine der Erfolgsgeschichten der Republik ist. Wir haben eine Bauoffensive bei Schulen - jeden Monat werden zwei Schulen entweder neugebaut oder generalsaniert.
Wir haben die Aufwendungen für Bahn und Straße verdoppelt. Die kleineren Klassenschülerzahlen müssten ohne besonderen Mehraufwand machbar sein. Wir bezahlen derzeit zwei Lehrer pro Klasse, wo die in den Bundesländern hinkommen, weiß ich nicht. Daher Lockerung, Flexibilität - und 25 sind machbar.
Ein Thema, das vielen Menschen Sorge bereitet, ist die rasch wachsende Zahl von Menschen ausländischer Abstammung. Die Schweiz hat gezeigt, dass das Thema nicht als rechtsextremistisch abgetan werden kann.
Erstens hat die Schweiz doppelt so viele Ausländer wie wir. Zweitens, haben wir viel früher begonnen gegenzusteuern. Wir haben seit einigen Jahren stabil etwa zehn Prozent Ausländeranteil. Wir stellen durch präzise Gesetze sicher, dass die Zahl der Asylwerber und Einbürgerungen um 40 Prozent zurückgegangen ist, dass die Zuwanderung um 60 Prozent gesunken ist. Vor allem haben wir die Integrationsvereinbarung für jeden umgesetzt, der dauerhaft hier leben will. Er muss sich verpflichten, unsere Sprache zu lernen und eine Prüfung abzulegen über Geschichte, Geographie, wirtschaftliches, politisches Wissen. Da waren jetzt die ersten Tests, die sehr erfreulich gewesen sind.
Wo alle durchgekommen sind.
Die die sich verpflichtet haben, haben das sehr ernst genommen, das finde ich sehr positiv. Derzeit büffeln 6000 Menschen in Kursen Deutsch. Das ist genau der erste Schritt zur Integration. Wir lassen gar nicht zu, dass wir in eine schiefe Entwicklung kommen. Schrille Kampagnen zum Ausländerthema, die jetzt manche unternehmen, lehne ich hingegen ab.
Auch am "Tag des Zorns" mancher muslimischen Länder gegen den Papst war es in Österreich ganz anders: Da gab es einen Tag des Dialogs zwischen den christlichen Religionen und der islamischen Glaubensgemeinschaft.
Die Zusammenlegung von Polizei, Gendarmerie und Zoll ist spektakulär und schafft zusammen mit anderen Reformen auch Sicherheit beim Ausländerthema. Wir haben 11.000 Polizisten mehr auf der Straße. Die Zahl der Delikte geht zurück, die Fahndungsmethoden, die Kooperationsmethoden sind viel besser. Und es ist endlich aufgeräumt worden im Wiener Polizeiapparat.
Aber der scheint sich eher selbst in die Luft gesprengt zu haben, als dass die Regierung durchgegriffen hätte.
Nein, die Ministerin hat sofort suspendiert. Entscheidend war die neue Einheit BIA, die Ernst Strasser eingerichtet hat. Durch deren Ermittlungen ist alles aufgeflogen.
Ist es gut oder schlecht für Ihren Wahlkampf, dass Ihnen alle Umfragen kontinuierlich einen Vorsprung signalisieren?
Die Umfragen zeigen doch alle einen sehr knappen Wahlausgang und dass immer noch einige Hunderttausend unentschlossen sind. Es bleibt bis zum letzten Tag spannend.
Und wer besorgt ist, dass die ÖVP zu übermächtig wird, dem garantiere ich, dass ich mit beiden Beinen am Boden bleibe, wie immer die Wahl ausgeht. Ich werde versuchen, einen verlässlichen Partner zu wählen, und vertraue darauf, dass die Kraft der Argumente und auch die herzeigbare Bilanz letztlich siegen werden.