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Bis zur Präsidentenwahl fast jede Woche eine neue Hinrichtung

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Vergangenen Donnerstag hat der texanische Gouverneur und republikanische Präsidentschaftskandidat George W. Bush - nach Eigendefinition ein "Konservativer mit Herz" - den 136. Hinrichtungsbefehl in seiner nun fünfjährigen Amtszeit unterzeichnet. Und - Unvorhergesehenes ausgeschlossen - bis zum Wahltag am 7. November werden es noch 13 weitere sein.


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Bisher sei seines Wissens in seinem Bundesstaat noch kein Unschuldiger hingerichtet worden, hat Bush bisher den Kritikern und Gegnern der Todesstrafe entgegengehalten. Zweifel an der Justiz möchte der Präsidentschaftsbewerber erst gar nicht aufkommen lassen. Doch 57 Prozent seiner texanischen Mitbürger sind einer jüngsten Umfrage nach der Meinung, dass auch schon Unschuldige hingerichtet wurden.

Erst im Jänner hatte der Gouverneur des Bundesstaates Illinois, George Ryan ein Moratorium für alle verhängten Todesstrafen ausgerufen, weil er zu der Überzeugung gekommen ist, dass das ganze System der Todesstrafe in seinem staat zerrüttet sei.

Seit der Wiedereinführung der Todesstrafe in Illinois im Jahr 1977 waren mehr zum Tode Verurteilte in letzter Instanz als unschuldig freigesprochen als hingerichtet worden.

Im Mai hatte sich das Parlament von New Hampshire für die Abschaffung der Todesstrafe ausgesprochen, war aber am Veto des Gouverneurs gescheitert.

Kritiker der Todesstrafe weisen aber nicht nur auf offensichtliche Fehlurteile hin - einer der eklatantesten Fälle in der amerikanischen Justizgeschichte war der Fall Sacco und Vanzetti in den Zwanzigerjahren, als zwei italienische Einwanderer wegen eines nicht von ihnen begangenen Mordes hingerichtet, fünzig Jahre danach aber rehabilitiert wurden -, sondern auch darauf, dass psychisch Kranke, zur Tatzeit Minderjährige und Ausländer hingerichtet würden, denen gesetzwidrig Konsularbeistand verweigert worden ist. Die Todesstrafe würde auch unverhältnismäßig oft gegen Schwarze verhängt, die 43 Prozent der Todeszelleninsassen stellen, bei 12,1 Prozent Anteil an der Gesamtbevölkerung.

Nach Mitteilung des "Informationszentrums Todesstrafe" in Washington sind in den letzten 25 Jahren in den USA 85 Häftlinge wegen erwiesener Unschuld aus der Todeszelle entlassen worden. Zwei Drittel der verhängten Todesurteile wurden zwischen 1973 und 1995 wegen Irrtümern aufgehoben.

Obwohl eine Dreiviertelmehrheit der Amerikaner die Todesstrafe befürwortet, wird das Unbehagen aber doch zunehmend stärker. 95 Prozent befürworten inzwischen die Durchführung von DNA-Tests zum Nachweis der Täterschaft. Hinrichtungen auf dem Elektrischen Stuhl sind mittlerweile weitgehend ausgesetzt worden, nachdem einige Delinquenten bei dieser Art der Hinrichtung qualvoll zugrundegegangen sind.

Immer mehr steht aber auch die Hinrichtungspraxis im Mittelpunkt heftiger Polemiken. Im Jänner dieses Jahres wurde durch den Brief eines Todeskandidaten aus Texas bekannt, dass Todeskandidaten schon viele Tage vor ihrer Hinrichtung in Einzelhaft gehalten und von ihrer Umwelt total isoliert werden.

Trotzdem dürfte Bush seine harte Haltung in der Frage Todesstrafe kaum in der Wählergunst schaden. Sein Gegenkandidat Al Gore von der Demokratischen Partei hat sich Ende Mai, als der Schwarze Gary Graham, an dessen Schuld erhebliche Zweifel bestanden hatten und der zur Zeit der ihm zur Last gelegten Tat noch minderjährig war, hingerichtet wurde, nicht geäußert. Auch Gore gilt wie Präsident Bill Clinton als Befürworter der Todesstrafe. Der letzte, der sich in einem Präsidentschaftswahlkampf gegen die Todesstrafe ausgesprochen hatte, war der Demokrat Michael Dukakis, der 1988 im Wahlduell gegen George Bush sen. unterlag. Und in diesem Wahlkampf hatte George Bush jun., der diesjährige Präsidentschaftsbewerber als Wahlkampfmanager des Vaters den Mord eines vorzeitig Haftentlassenen propagandistisch in allen unfeinen Einzelheiten gegen den demokratischen Präsidentschaftsbewerber ausgespielt.