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"Bischöfe des Neoliberalen, Hohepriester der Verstaatlichten"

Von Matthias Nagl

Wirtschaft

Privatisiert wurde nicht vordergründig zum Schuldenabbau. | Staatseigentum als Glaubensfrage. | Wien. Der öffentliche Sektor trägt es schon im Namen: das Wort öffentlich. Kein Wunder, dass er bisweilen mehr Öffentlichkeit bekommt, als seine Protagonisten für nützlich halten. So bezeichnet Oskar Grünwald - noch vor Beginn der Privatisierungen in den 80er Jahren Vorstandsvorsitzender der Staatsholding ÖIAG - diese Öffentlichkeit als großes Hindernis bei Privatisierungen.


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"Bei einem privaten Eigentümerwechsel gibt es einen Artikel und fertig. Im öffentlichen Bereich ist das eine never ending story", erklärte Grünwald bei einer Fachtagung zum Thema "Verstaatlichung und Privatisierung" in Wien. Diese These wurde gerade in den vergangenen Tagen bestätigt, als die schon 2004 über die Bühne gegangene Privatisierung der Bundeswohnungen wieder großflächig in den Medien landete.

Zwangslage bei der AUA

Auch der jüngste Verkauf von Staatseigentum, die vollständige Privatisierung der AUA, ging weder geräuschlos noch konfliktfrei über die Bühne. Das liegt vermutlich daran, dass jeder Steuerzahler praktisch Miteigentümer der Staatsbetriebe ist und diese mitunter zur nationalen Identitätsstiftung beitragen. Zudem sei die Frage - Privatisieren oder nicht - immer eine ideologische gewesen, meint Wirtschaftshistoriker Fritz Weber: "Das ist eine Glaubensfrage. Da gab es die Bischöfe des Neoliberalismus und die Hohepriester der verstaatlichten Industrie." Dennoch wurde in der Vergangenheit aus den verschiedensten Gründen privatisiert: Manchmal aus schlichter betriebswirtschaftlicher Notwendigkeit, wie beim Verkauf der AUA, gerne auch aus budgetären Gründen.

So wurde die ÖIAG durch Privatisierungserlöse von den Regierungen unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel saniert. Stand die Staatsholding 1999 noch mit 6,3 Milliarden Euro in der Kreide, ist sie heute entschuldet. Der Preis dafür war eine drastische Verringerung der staatlichen Beteligungen. Die erste Schüssel-Regierung verkaufte die Postsparkasse an die Bawag und gab ihre Anteile an der Austria Tabak ab. Dennoch machten die Privatisierungen "nicht den Hauptteil der Sanierung des Budgets aus", auch wenn sie natürlich hilfreich gewesen wären, sagt Bernhard Felderer, Präsident des Staatsschuldenausschusses.

Unter Schüssel verringerte sich weiters der Staatsanteil an der Telekom Austria auf aktuell 28,42 Prozent. Das Kabinett Schlüssel II verkaufte 49 Prozent der Post sowie die letzten ÖIAG-Beteiligungen an klassischen Industriebetrieben: Von 2003 bis 2006 wurden VA Tech, Böhler Uddeholm und Voestalpine vollständig privatisiert. Nicht nur diese Deals wurden von der Opposition als "Ausverkauf" kritisiert - bei sanierten Unternehmen hätte es Hoffnung auf regelmäßige Dividenden gegeben.

Schwund der Reserven

Ein großes Politikum war auch die Bedienung an den Reserven der Nationalbank (OeNB). Deren Goldbestand ist von 600 Tonnen Anfang der 1990er-Jahre auf zuletzt 280 Tonnen gesunken. Ebenso wurden (auch infolge des Beitritts zur Währungsunion) die in Fremdwährungen gehaltenen Reserven drastisch abgebaut.

Die Republik profitierte über hohe Ausschüttungen - allein 2000 wurden unter Finanzminister Karl-Heinz Grasser fast 990 Millionen Euro Gewinnanteil und weitere 570 Millionen Körperschaftssteuer abgeführt.

Siehe auch:Das Versilbern der letzten Schätze

+++ Staatsschulden: In Brüssel schrillen die Alarmglocken