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Bist du reich, weil ich arm bin?

Von Hanno Lorenz

Gastkommentare
Hanno Lorenz ist Ökonom bei der Denkfabrik Agenda Austria und forscht in den Bereichen Außenhandel, Armut und Verteilung, Wirtschaftsstandort und Digitalisierung.
© Markus Rössle

Die Wirtschaft ist schon lange kein Nullsummenspiel mehr.


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Diesmal ist alles anders. Wir kommen aus einem Krisenjahr. Alle großen Volkswirtschaften schrumpften 2020. Einzig China schaffte es trotz Ursprung der Corona-Pandemie, seine Wirtschaftsleistung zu steigern. Weltweit kämpfen Regierungen gegen das Virus um das Überleben der Bürger; aber auch um das Überleben vieler Unternehmen. Um die Wirtschaft und unseren Wohlstand zu retten, haben die Regierungen die Staatskassen geöffnet.

Einige Dinge ändern sich aber auch in Krisenzeiten nicht. Ein Beispiel dafür ist das Weltwirtschaftsforum. Auch wenn "die Mächtigen" der Welt diesmal nicht in der Schweiz, sondern in der digitalen Welt beraten. Und passend dazu gab es auch heuer wieder pünktlich die Fundamentalkritik der Nichtregierungsorganisation Oxfam an eben diesen "Mächtigen" in Bezug auf deren Lebensweise, die von ihnen vertretenen Unternehmen und das kapitalistische Wirtschaftssystem.

Dabei ist die Argumentationslinie der NGO immer die gleiche: Du bist nur reich, weil ich arm bin. Der Grundgedanke ist dabei das Nullsummenspiel, laut dem es einen fixen Kuchen gibt, der verteilt wird. Bekommt eine Person mehr, dann müssen andere verzichten. Für die meiste Zeit der Menschheitsgeschichte ergab diese Sichtweise durchaus Sinn. Könige konnten im Luxus leben, weil andere darauf verzichteten.

Seit langer Zeit aber wächst der Kuchen kontinuierlich. Die Wirtschaft ist also schon lange kein Nullsummenspiel mehr. In den Jahren vor der Corona-Krise konnten daher sowohl reiche Länder und deren Bürger ihren Wohlstand erhöhen als auch gleichzeitig ärmere Länder reicher werden. Armut, Einkommens- und Vermögenskonzentration sind entgegen vielen Behauptungen zurückgegangen.

Oxfam scheint diese Entwicklung nicht wahrhaben zu wollen und bedient sich stattdessen einer sehr simplen Masche, wenn es um die globale Vermögensverteilung geht: Man setzt den Menschen in extremer Armut die zehn reichsten Menschen der Welt gegenüber. Während die Armut im Corona-Jahr 2020 gestiegen sein dürfte, wuchs das Vermögen dieser zehn Milliardäre sogar an. Oxfam sieht hier ein fundamentales Problem, das aus unserem Wirtschaftssystem entstehe. Man wünscht die sofortige Abkehr von diesem System. Wohin auch immer.

Was dabei übersehen wird: Jeff Bezos oder Bill Gates haben ihre Vermögen nicht angehäuft, weil Menschen in Afrika oder Asien in Armut leben müssen. Sie haben ihren Reichtum über Ideen und Unternehmen erlangt, die unseren Alltag einfacher und besser machen. Die meisten Menschen, die heute noch in Armut leben müssen, tun dies, weil ihre Länder von Kriegen heimgesucht werden, ihre Regierungen korrupt sind oder gerade weil sich ihre Eliten dem kapitalistischen Wirtschaftssystem widersetzen. Ihr Elend hängt nicht mit dem Börsenwert der Aktienanteile zusammen, die Mark Zuckerberg noch an Facebook hält. Oxfam spielt ein falsches Spiel mit der Armut, um die Menschen gegen Kapitalismus und Marktwirtschaft aufzubringen. Aber gerade das Pandemiejahr zeigt uns, wie eine Welt ohne funktionierende Wirtschaft aussieht. Schön ist der Anblick wahrlich nicht.