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Bitte keine guten Ideen

Von Walter Hämmerle

Leitartikel

Gute Ideen werden in Österreich maßlos überschätzt. Man kann das ganz wunderbar an der Genese des angeblich unbedingt notwendigen dritten Erstaufnahmezentrums in Eberau nachverfolgen, den voreiligen Steuer-Versprechen der Regierungsspitze, der Verlängerung der Hacklerpension als Wahlkampfzuckerl 2008 oder den Zusagen künftiger Volksabstimmungen bei allfälligen EU-Vertragsänderungen.


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Gute Ideen haben allerdings einen Nachteil: Sie sind allermeistens und vor allem in der Politik schlecht, wenn überhaupt durchdacht. Und zwar konsequent bis zum - meist bitteren - Ende. Solche Gedankenblitze entstehen meist in vollgequalmten "War Rooms" von Parteizentralen, wo sich die entscheidungsbefugten Anwesenden ohne Unterlass das Hirn mit der einen, alles bestimmenden Frage zermartern: Was könnte das Volk wollen, dass meine Partei tut? Das holpert vielleicht sprachlich, faktisch trifft es jedoch voll ins Schwarze.

Und um Antworten auf diese eine große Frage der Politik zu finden, wird mittlerweile kein Aufwand mehr gescheut. Kein Wunder, dass Ministerien und Parteien längst zu den größten Auftraggebern der hiesigen empirischen Sozialwissenschaft zählen, um Volkes Meinung zu diesem oder jenem herauszufinden.

Mit guten Ideen der oben beschriebenen Art ist aber leider auf Dauer kein Staat zu machen. Natürlich wissen das sämtliche Betroffenen selbst - wahrscheinlich sogar allemal besser als die stets zum Besserwissen neigende schreibende Zunft. Das Problem ist, dass die Politik nicht aus ihrer Haut kann: Wahlen stehen immer irgendwo vor der Tür. Und das heißt, dass auch irgendwo in einem verrauchten Hinterzimmer eine Gruppe hochintelligenter Männer - Frauen sind in diesen Zirkeln Rarität - spätnachts noch immer zusammensitzt und sich über gute Ideen das Hirn zermartert .. .

Und wenn dann noch die Umfragen Schlechtes verheißen, ja dann wird auch der stärkste Wille schwach und verkündet die nächste, diesmal wirklich fantastisch gute Idee. Hoffentlich halten sich zumindest die Aufräumkosten in volkswirtschaftlich erträglichem Rahmen.