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Ich kannte früher eine alte Dame, die ein wenig von der Arteriosklerose heimgesucht war. Das Fernsehen zählte an sich zu ihren Lieblingsbeschäftigungen, aber bei politischen Diskussionsrunden
verließ sie den Raum.
Wenn man die Dame fragte, warum sie nicht weiter zuschauen wolle, sagte sie: "Ach, ich würde die Herren doch nur stören!"
Von den meisten Verwandten und Bekannten wurde diese Antwort nachsichtig mit der Verkalkung entschuldigt. Ich aber teile das Gefühl der alten Dame. Denn ich bilde mir auch gelegentlich ein, ich
könnte als Zuschauer bestimmte Fernsehsendungen durch meine bloße Anwesenheit stören.
Zum Beispiel Alfred Biolek: Gestern abend wurde er von Helmut Zilk als "Lebens-Künstler" porträtiert, sonst kennt man ihn aus der Talkrunde "Bios Bahnhof", in der sympathische Menschen über Probleme
sprechen, die uns alle angehen. Ich wüßte nichts, was gegen diesen Mann und seine Sendung einzuwenden wäre. Trotzdem bin ich nicht fähig, ihn anzuschauen, ohne mich innerlich vor Peinlichkeit zu
winden.
Da ich aber keinen Grund für diese Aversion finden kann, muß ich annehmen, daß ich selber das Problem bin. Mit dem Gedanken: "Ich würde den Herrn nur stören" ziehe ich mich also vom Bildschirm zurück
und denke an die alte Dame · bzw. an den berühmten Kellner aus dem "Weißen Rößl", der dasselbe Lebensproblem (in einem etwas anderen Zusammenhang) mit dem geflügelten Wort "zuaschaun kann i ned"
umschrieben hat. Besser kann man es nicht sagen.