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Jetzt wäre wieder einmal Entschuldigen angesagt. Eine Boulevardzeitung, die laut Eigendefinition für ganz "Österreich" spricht, hat Marcel Koller in den vergangenen Tagen schon als heimischen Teamchef abgeschrieben und in trotzig-kindischer Weise als "Verräter", der Österreich "am Schmäh" führe, abgestempelt. Dieselbe Zeitung, die ihn vor zwei Jahren noch am liebsten vor seiner Bestellung wieder vor die Tür gesetzt hätte. Und dieselbe Zeitung, die nach der abgelaufenen WM-Qualifikation quasi flehend auf ihn einzuwirken versuchte, doch zu bleiben. Eh okay, man kann seine Meinung ja ändern, und bekanntlich ist nichts älter als die Tageszeitung von gestern. Und jetzt sind - schwer genug - auch die Experten Krankl und Polster zufrieden.
Tatsächlich hat es vieles gegeben, das auf einen Wechsel Kollers in die Schweiz hingedeutet hätte. Die Chance, Teamchef im eigenen Land zu werden, hat man nicht so oft, das Gehalt hätte wohl auch gestimmt, und fußballerisch sind die WM-Teilnehmer aus der Schweiz doch noch um einen Schritt weiter als die Österreicher. Dass Koller sich dennoch für das ÖFB-Team entschieden hat, ist einerseits überraschend, andererseits aber auch konsequent. Er will sein Projekt fortführen, und sollte er Österreich tatsächlich zur Euro 2016 führen, wäre dies sein Meisterstück. Daraus jetzt aber eine rührselige Geschichte oder gar die Rettung der Nation zu zimmern, ist ebenso lachhaft, wie es die Verrats-Vorwürfe waren. Ein Vertrag im Fußball ist noch immer ein Geschäft und kein Rosamunde-Pilcher-Buch.