Ausgerechnet die Briten gehören - mit den Niederländern - zu den Ersten, die sich zu den Urnen begeben.
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London/Den Haag/Brüssel/Wien. Dass sie die Ersten sind, wird ihnen keinen Informationsvorsprung bescheren. Die Briten und die Niederländer werden am heutigen Donnerstag zuerst zu den Urnen gerufen: Sie geben den Startschuss für das Votum zum EU-Parlament, das in den 28 Mitgliedstaaten der Union bis Sonntag durchgeführt wird. Und erst danach, wenn das letzte Wahllokal geschlossen ist, dürfen die Ergebnisse bekanntgegeben werden. Bestimmt werden 751 Abgeordnete, 18 davon aus Österreich. Es ist die einzige Direktwahl, in der die Bürger über die Zusammensetzung einer EU-Institution entscheiden. Die Österreicher sind am Sonntag dazu aufgerufen.
Doch auch wenn der Urnengang die künftige Richtung der EU anzeigen soll, waren es in den meisten Ländern nicht unbedingt europäische Themen, die in den Kampagnen im Vordergrund standen. Vielmehr geht es um nationale Angelegenheiten und Affären - wie beim Ibiza-Skandal in Österreich.
Eine besonders bizarre Situation stellt sich aber in Großbritannien dar. Die Briten müssen an der EU-Wahl teilnehmen, obwohl sie gar nicht mehr Teil der EU sein wollen. Die Trennung der Insel vom Kontinent wurde ja bereits zwei Mal verschoben, und da das Königreich noch immer Mitglied der Gemeinschaft ist, müssen seine Bürger sich zu den Urnen begeben.
Rechtspopulisten im Aufwind
Es wird nicht zuletzt ein Testlauf für die Regierung der konservativen Premierministerin Theresa May werden. Diese geriet am Mittwoch erneut unter Druck, nachdem sie die Opposition vor einem neuen Votum über das Brexit-Abkommen mit Zugeständnissen umworben hatte.
Profitieren von dem Chaos könnte der populistische EU-Kritiker Nigel Farage. Bei der EU-Wahl wird seiner Brexit-Partei ein Erdrutschsieg prognostiziert. Laut Umfragen möchte jeder dritte Brite dem früheren Vorsitzenden der Ukip-Partei seine Stimme geben. Labour würde auf 20 Prozent kommen, und die Konservativen würden bei lediglich zwölf Prozent landen.
Rechtspopulisten können auch in den Niederlanden auf einen Wahlsieg hoffen. Dort liegt das Forum voor Democratie (FvD) gleichauf mit der rechtsliberalen VVD von Premier Mark Rutte bei 15 Prozent. Bei der EU-Wahl 2014 bestand das FvD noch gar nicht. Dessen Gründer Thierry Baudet, betrat 2016 mit einem Europathema die politische Bühne, er initiierte mit einer zweiten Gruppierung ein Referendum gegen das Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine. Die Niederländer lehnten den Vertrag zwar mehrheitlich ab. Da das Votum aber nicht bindend war, wurde die Vereinbarung leicht verändert im niederländischen Parlament verabschiedet.
Die Forderung nach einem "Nexit", dem EU-Austritt der Niederlande, hat Baudet wegen des Brexit-Verhandlungsdebakels zwar abgeschwächt. Er befürwortet dennoch eine Volksabstimmung über den Unionsverbleib - die mit großer Mehrheit für die EU-Mitgliedschaft ausgehen würde.
Spitzenkandidat für Europa
Die Rhetorik gegen Brüssel reiht sich in Baudets Leibthema ein: den Kampf gegen eine vermeintlich abgehobene Elite, die das Leben der Bürger diktieren will. Zugleich zelebriert der 36-jährige Doktor der Rechtswissenschaften seinen großbürgerlichen Habitus: Er ließ sich einst auf seinem Flügel liegend ablichten, im Hintergrund ein Goethe-Porträt.
Weil Baudet seine Kritik geschliffen vorträgt, läuft er dem grobschlächtigen Geert Wilders den Rang unter den Rechtspopulisten ab. Das gilt auch für Wilders’ Domäne, die Migrationspolitik. Wilders’ Partei PVV - Fraktionspartnerin der FPÖ im EU-Parlament - erreichte bei der EU-Wahl 2014 mehr als 13 Prozent. Die jetzigen Prognosen schwanken deutlich, der Trend zeigt aber klar abwärts. Laut einer Umfrage stürzt die PVV gar auf vier Prozent ab.
Leicht gestärkt dürften hingegen die Sozialdemokraten aus der Wahl herausgehen. Deren Listenerster Frans Timmermans ist auch Spitzenkandidat auf europäischer Ebene und will nächster EU-Kommissionspräsident werden. Nach knapp zehn Prozent 2014 können die Sozialdemokraten mit bis zu 13 Prozent rechnen. Ein großer Timmermans-Bonus sieht anders aus.
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