Der britische Premierminister und Labour-Chef, Tony Blair, gerät zunehmend unter innenpolitischen Druck. Die Gründe dafür sind Blairs Unterstützung eines möglichen US-Angriffs auf den Irak und seine liberale Sozialpolitik. Sogar über einen Nachfolger Blairs wird bereits spekuliert.
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"Eine Revolution liegt in der Luft", meinte der Labour-Abgeordnete George Galloway, um die darniederliegende Stimmung an der Parteibasis beschreiben. Manche würden sogar das Undenkbare in Erwägung ziehen - dass Blair als Labour-Chef abgelöst werden sollte. Premier soll dann sein alter Rivale, Finanzminister Gordon Brown werden.
Vor dem EU-Wirtschafts- und Sozialgipfel in Barcelona hatte sich Blair für mehr Liberalisierung stark gemacht und bei konservativen Regierungschefs Verbündete gesucht. Blair wollte seine EU-Partner ermuntern, sich mehr von der britischen Politik der freien Märkte abzuschauen. Seine Kritiker halten ihm das marode Gesundheitssystem und die gescheiterte Liberalisierung der Eisenbahnen entgegen. In der Stromversorgung müssten kalifornische Verhältnisse vermieden werden. Heftige Kritik an Blair übte der bisher loyale Gewerkschaftsboss John Monks. Doch die Gewerkschaften befürchten durch die ihrer Ansicht nach zu liberale Wirtschaftspolitik Blairs, dass soziale Rechte von Arbeitnehmern beschnitten würden. Sauer stößt den Kritikern vor allem Blairs Allianz mit dem umstrittenen italienischen Premier, Silvio Berlusconi, auf.
Mangels innenpolitischem Rückhalt könnte Blair selbst die gewünschte Euro-Einführung gefährden. Ein Referendum im Frühjahr nächsten Jahres ist denkbar. Laut Meinungsumfragen wollen die Briten mehrheitlich am Pfund festhalten; gleichzeitig rechnet eine Mehrheit aber damit, dass sie sich in einigen Jahren von der eigenen Währung verabschiedet haben werden.
Was Blairs Unterstützung eines möglichen USA-Angriffs auf den Irak betrifft, hat Innenminister David Blunkett den Regierungschef bereits vor innenpolitischen Unruhen gewarnt.
Die Staats- und Regierungschefs haben beim Gipfel in Barcelona eine Debatte über den Irak vermieden. Deutschland und Großbritannien seien sich einig darin, den Druck auf Saddam Hussein aufrecht zu erhalten, meinte Kanzler Gerhard Schröder. Außenministerin Benita Ferrero-Waldner betonte, der Irak müsse wieder UNO-Waffeninspektoren ins Land lassen. Es müsse verhindert werden, "dass der Irak Massenvernichtungswaffen einsetzt und sie an Dritte weitergibt".