Die FPÖ ist wieder da - dank der Arbeit der großen Koalition. | Österreichs Politik steht vor einer Zäsur. Wieder einmal. Wer glaubte, mit der Wende zu Schwarz-Blau sei die Abkehr vom politischen System der Zweiten Republik vollzogen, muss sich heute eingestehen, einem Trugschluss aufgesessen zu sein.
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Vorübergehend hatte es tatsächlich den Anschein, als seien die 26,91 Prozent, mit denen die FPÖ die ÖVP bei den Wahlen 1999 überholte, ein einmaliger Irrtum der Geschichte. Zumal die guten alten Zeiten mit den Wahlen 2002 und 2006 wiederauferstanden schienen. Mit zehn beziehungsweise elf Prozent der Stimmen sahen viele Beobachter die FPÖ auf das ihr zustehende Maß zurechtgestutzt.
Doch die Freiheitlichen sind wieder da. Zu verdanken ist dies in erster Linie der fortgesetzten Selbstbeschädigung von SPÖ und ÖVP. Und - glaubt man den derzeit veröffentlichten und nichtveröffentlichten Umfragen - Nutznießer ist zuallererst die FPÖ. Manch aktuelles Stimmungsbarometer sieht sogar ein Kopf-an-Kopf-Rennen von SPÖ und FPÖ um Platz zwei. Fast wie 1999, aber eben nur fast.
Natürlich sind diese Umfragen nicht auf die Goldwaage zu legen. In einem Wahlkampf wird sich die SPÖ nach geklärter Führungsfrage zweifellos stabilisieren. Aber ebenso sicher scheint, dass FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache nach den Wahlen zum Kanzler-Macher aufsteigen wird. Ein Überspringen der 20-Prozent-Marke im Fall von Neuwahlen ist möglich. Und daran, dass im Herbst gewählt wird, führt aus heutiger Sicht wohl kaum ein Weg mehr vorbei.
Die FPÖ ist sich ihrer neuen, alten Königsmacher-Rolle bewusst - und genießt sie in vollen Zügen. Mit unverhohlener Freude erinnert man sich nun an den Wettlauf, den SPÖ und ÖVP unmittelbar nach den letzten Wahlen um die Gunst der Freiheitlichen starteten. Sie hätten sich damals die Ministerien aussuchen können, erzählte kürzlich ein führender Freiheitlicher. Einziger Preis: Ein blaues Ja zu einem Pakt mit ÖVP und BZÖ. Dazu war und ist die FPÖ jedoch nicht bereit. Ansonsten aber ist man wieder regierungswillig.
Ihre Sympathien liegen dabei auf Seiten der SPÖ. Das ist nicht erst seit dem EU-Schwenk des neuen Führungsduos so, das amikale rot-blaue Klima vor allem ein Verdienst von SPÖ-Klubchef Josef Cap. Die Präferenz für Rot-Blau ist aber nicht nur atmosphärisch. Tatsächlich spielt die Themenlage dieser Konstellation in die Hände: EU-Skepsis, enorme Teuerungen bei Lebensmitteln und Energie sowie die Aussicht auf absehbare Verschlechterungen in den Bereichen Gesundheit und Pensionen treffen die sich überschneidenden Klientels von SPÖ und FPÖ ins Herz. Was liegt da näher, als es gemeinsam zu versuchen? Die FPÖ fühlt sich dazu bereit, ungeachtet albtraumhafter Erfahrungen mit Schwarz-Blau.
Für die SPÖ bedeutet eine Koalition mit der FPÖ, so sie sich denn ausgeht, eine Zerreißprobe. Der EU-Schwenk in Richtung "Krone" - und damit in Richtung FPÖ - sorgt in der Partei schon für Irritationen. In dieser Situation hatte Werner Faymann, der designierte SPÖ-Chef, wohl keine andere Wahl, als dieser Tage eine rot-blaue Koalition auszuschließen. Zumindest in der FPÖ aber schenkt man dieser Ankündigung keinen Glauben. Nicht zuletzt im Wissen, dass nach Wahlen die Lust auf eine Neuauflage der großen Koalition in der SPÖ gegen Null gehen wird und eine rot-grüne Mehrheit außer Reichweite sein dürfte.
Auch den Hinweis mangelnder ministrabler Personalreserven wischt man in der FPÖ mittlerweile locker vom Tisch. Sorgen bereitet da schon eher die Angst vor einem zweiten Knittelfeld - diesmal allerdings in den Reihen des Wunschpartners SPÖ. Und auch wie Bundespräsident Heinz Fischer mit der Aussicht auf Rot-Blau umgeht, steht in den Sternen. Bei der FPÖ vertraut man hier auf die normative Macht einer parlamentarischen Mehrheit. Fast wie 2000, aber eben nur fast.