US-Midterms: Demokraten erhalten die Mehrheit im Repräsentantenhaus, Republikaner bauen ihre Mehrheit im Senat aus.
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Los Angeles/Washington D.C. Anders als im Vorfeld der Präsidentschaftswahl 2016 erwiesen sich die Umfragen diesmal als akkurat. Bei den Kongresswahlen zur Halbzeit der Präsidentschaft von Donald Trump eroberten die Demokraten wie prophezeiht eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus. Aber auch die Republikaner dürfen sich freuen: Nicht nur, dass sie ihre Mehrheit im Senat halten konnten – sie konnten sie sogar ausbauen. Wie genau die neuen Mehrheitsverhältnisse ausfallen, stand am Morgen danach noch nicht fest; aber nach übereinstimmenden Einschätzungen der Wahlforscher werden die Demokraten im House of Representatives bis zu 30 Sitze gewinnen. (Bis zum Wahlabend verfügten sie dort über 193, die Republikaner über 235 von insgesamt 435 Sitzen.) Gänzlich anders stellt sich die Lage im Senat dar, wo ein rundes Drittel der 100 Sitze neu vergeben wurde. Die Konservativen konnten dort ihre bis zur Wahl nur einen Sitz umfassende Mehrheit auf mindestens drei ausbauen. Die wichtigsten Entwicklungen im Überblick:
In Texas konnte der erzkonservative Ted Cruz seinen Sitz im Senat verteidigen, obwohl ihm sein demokratischer Widersacher Robert "Beto" O' Rourke bis zuletzt gefährlich nahe kam. Am Ende standen zwischen dem Amtsinhaber und dem Herausforderer nur drei Prozentpunkte – in einem Bundesstaat, den die Republikaner fest im Griff haben, ein mehr als beachtliches Ergebnis.
Das Repräsentantenhaus wird bei seiner ersten Sitzung eine Reihe von historischen Premieren erleben: Erstmals nehmen zwei Muslima auf seinen Bänken Platz (Rashida Tlaib/Michigan und Ilhan Omar/Minnesota). Mit Sharice Davids (Kansas) zieht erstmals in der US-Geschichte eine Ureinwohnerin und mit der 29-jährigen Alexandria Ocasio-Cortez (New York) die jüngste Abgeordnete aller Zeiten in die Kammer ein. Alle sind Mitglied der Demokraten. Halten die Zahlen der Nacht, werden – ebenfalls ein Novum – über 110 Frauen im Repräsentantenhaus vertreten sein.
Im Senat gelang es den Republikanern, gleich drei Sitze zu erobern, die bisher von Demokraten besetzt waren: Missouri (Josh Hawley), North Dakota (Kevin Cramer), Indiana (Mike Braun). In Florida sah es lange aus, als ob der bisherige Gouverneur Rick Scott knapp aber doch Amtsinhaber Bill Nelson besiegen konnte, aber das Ergebnis ist offiziell noch offen. Außerdem bemerkenswert: mit Mitt Romney (Utah) zieht nunmehr ein ehemaliger Präsidentschaftskandidat ins Oberhaus ein.
Der Schmerz der Demokraten über die Verluste wurde erst spät in der Nacht und am Morgen ein wenig gelindert, als klar wurde, dass Jacky Rosen, ihre Kandidatin in Nevada, den konservativen Amtsinhaber Dean Heller besiegen konnte und Jon Tester seinen Sitz in Montana verteidigen konnte.
Auf Lokalebene konnten die Linksliberalen ebenfalls signifikant punkten. Zu einer Riesenüberraschung kam es in Kansas, einem bisher durch die Bank republikanisch dominierten Bundesstaat, wo der neue Gouverneur nicht Kris Kobach – ein enger Verbündeter Donald Trumps – sondern Laura Kelly heißt. Einen weiteren Meilenstein markiert die Wahl von Jared Polis zum Gouverneur von Colorado; er ist nunmehr der erste offen homosexuelle Gouverneur, der einen Bundesstaat vorsteht. Eine weitere kleine Sensation lieferte Wisconsin, das seinen Gouverneur, den langjährigen Tea-Party-Bannerträger Scott Walker, zugunsten seines demokratischen Herausforderers Tony Evers abwählte.
Trostpflaster für die Republikaner: In Florida unterlag Andrew Gillum, der favorisierte Bürgermeister der Hauptstadt Tallahassee, im Rennen um den Gouverneursposten dem rechtsextremen Rick deSantis, der im Wahlkampf regelmäßig durch offen rassistische Äußerungen aufgefallen war. Mittel- bis langfristig könnte sich im tendenziell rechten Sunshine State dennoch etwas ändern. Mit eindeutiger Mehrheit bejahten die Wähler dort eine Lokalinitiative, die verurteilten Verbrechern ihr Wahlrecht zurückgibt, wenn sie ihre Strafe verbüsst haben. Betroffen sind 1,5 Millionen Menschen – mehr, als über ein Dutzend anderer Bundesstaaten Einwohner haben.
Überschattet wurde die Wahl in zahlreichen Bundesstaaten durch Probleme mit der Infrastruktur. Zu defekten oder kaputten Wahlmaschinen, fehlerhaften Registrierungslisten und einen Mangel an Wahlhelfern, die in zahlreichen Orten für lange Schlangen vor den Wahllokalen sorgten,gesellten sich kaum verhüllte Massnahmen von (ausnahmslos republikanischen) Amtsinhabern, die darauf abzielten, Angehörige von Minderheiten um scheinbar jeden Preis von der Stimmabgabe abzuhalten.
Überwältigend war die Wahlbeteiligung – nach ersten, inoffiziellen Schätzungen nahmen 114 Millionen Amerikaner ihr Stimmrecht wahr. Zum Vergleich: bei den Midterms 2014 hatten das nur 83 Millionen getan.
In einer ersten Reaktion zeigte sich Präsident Trump begeistert über den Ausgang der Midterms: "Ein großartiger Erfolg! Danke!" tweetete er noch in der Nacht. Nancy Pelosi, mit hoher Wahrscheinlichkeit die neue Sprecherin der Mehrheit im Repräsentantenhaus, zeigte sich nicht minder erfreut: "Bei dieser Wahl ging es um mehr als um Demokraten und Republikaner. Es ging darum, die Checks und Balances der Verfassung wieder herzustellen."