Die FPÖ wirbt gezielt um ÖVP-Wähler.|Polit-Experte Hofer empfiehlt der Volkspartei mehr Aggressivität.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Wenn der deutsche Sänger Peter Fox über die Morgendämmerung singt, "wird langsam schwarz zu blau". Das wünscht sich offensichtlich auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache für die bisherigen Wähler der krisengeschüttelten ÖVP. Diese werden von den Freiheitlichen künftig gezielt umworben.
Strache hat dazu eigens – allen historischen Widersprüchen zum Trotz – eine "freiheitlich-konservative Initiative" ins Leben gerufen. "Wir wollen das freiheitliche Angebot an alle christlich-sozialen Bürger ausbauen", so Strache am Mittwoch vor Journalisten. In Wien sei die ÖVP "nicht mehr existent" und auf Bundesebene "nur noch eine Konkursmasse, die sich mit Haut und Haaren der SPÖ verkauft hat", so Straches Befund. Der Volkspartei fehle es an Gestaltungswille – "ein Problem, das sich mit dem Austausch von Gesichtern nicht lösen lässt". Vor allem aber fehle es der ÖVP an Grundsätzen und Werten, sagt Strache, diese seien einer "Politik der Beliebigkeit" gewichen. So habe die Volkspartei etwa in der Familienpolitik Belastungen für die Familien ebenso zugelassen, wie gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Dadurch hätten christlich-soziale Wähler keine politische Heimat mehr. Dem gegenüber will Strache nun seine freiheitliche Partei als wertkonservative Trutzburg präsentieren, in die er die heimatlosen Schwarzen aufnehmen will.
"Nicht neu, aber wir leben es"
Was Strache aber als Werte seiner "neuen Zukunftspartei, neuen Volkspartei" präsentiert, ist keineswegs neu: Achtung des Eigentums, Erhöhung der Sicherheit, Bildungsreform ohne Gesamtschule, Förderung von Klein- und Mittleren Unternehmen – das alles hat man schon gehört, sowohl bei ÖVP, als auch bei FPÖ. "Stimmt", sagt Strache, "aber wir leben diese Werte, die ÖVP nicht mehr".
In der Volkspartei reagiert man mit einer Mischung aus amüsiert und genervt auf die freiheitliche Initiative. "Die FPÖ ist höchstens populistisch-hetzerisch, aber sicher nicht christlich-sozial", sagt ÖVP-Generalsekretär Johannes Rauch: "Eine Volkspartei spaltet die Bevölkerung nicht durch Hetzkampagnen in allen Bereichen. Eine Volkspartei richtet ihre politischen Botschaften nicht nach billigem Populismus aus. Eine Volkspartei arbeitet für die Menschen." Die FPÖ sei "unglaubwürdig und konzeptlos" und wolle sich nur "einen neuen Ideologie-Mantel umhängen", weil er möglicherweise erkannt habe, "dass eine christlich-soziale Politik der bessere Kurs wäre", so Rauch.
Dass die FPÖ aber durchaus eine Alternative für ÖVP-Wähler ist, zeigen die letzte Nationalratswahl und die Wien-Wahl. Beide Male verlor die Volkspartei vor allem an die Freiheitlichen – und zwar deutlich mehr als an die Nichtwähler.
Auch für Politikexperte Thomas Hofer ist das Vorpreschen Straches "zwar etwas durchschaubar, aber im Prinzip sinnvoll", wie er zur "Wiener Zeitung" sagt. Die Krise in der ÖVP sei so akut, dass sich die anderen Parteien durchaus Chancen ausrechnen können, die eine oder andere Krume abzubekommen. In diese Richtung gehe ja auch die aktuelle BZÖ-Kampagne mit ihrem Bibelzitat – "auch das zielt auf ÖVP-Wähler ab".
Dabei geht es, so Hofer, aber nicht um die Kernwähler der Volkspartei, sondern um die "weichen" ÖVP-Wähler. Hier habe schon Jörg Haider gezeigt, dass man erfolgreich sein könne, sagt Hofer. Für die FPÖ könnte das Schielen auf die Konservativen laut Hofer aber auch gefährlich werden: "Strache muss einen Spagat schaffen und auf zwei Hochzeiten tanzen", schließlich habe er sich bisher auf die SPÖ-Wählerschaft konzentriert. Dass er mit seiner neuentdeckten Liebe für das Bürgertum die Arbeiterschaft abschrecken könnte, glaubt der FPÖ-Chef allerdings nicht: "Die Menschen lassen sich nicht mehr in Klassen auseinanderdividieren." Außerdem sei die FPÖ "in der Mitte der Gesellschaft angekommen".
<br style="font-weight: bold;" /> "ÖVP sollte das ernst nehmen"
Definitiv eine Gefahr ist Straches Initiative für die ÖVP. "Die sollte das durchaus ernstnehmen", sagt Hofer. Der Politikberater sieht bei der Volkspartei aktuell drei große Probleme. Zum einen habe man zugelassen, "dass die Telekom-Affäre ausschließlich zu einer ÖVP-Geschichte wird". Diese hätte man "offensiver und aggressiver" zu einer freiheitlichen Affäre machen müssen.
Als Zweites habe die ÖVP "ihre wirtschaftspolitische Kernkompetenz verschütt gehen lassen", so die Analyse Hofers. Auch hier müsse man in die Offensive gehen. Dazu gelte es aber, die Reihen geschlossen zu halten, sonst würde eine Kampagne keinen Sinn machen. Als Vorbild könne man hier durchaus die SPÖ heranziehen, die 2009 trotz einer Reihe von Wahlniederlagen nach außen hin geschlossen aufgetreten sei. Im Sinne der Geschlossenheit müsse auch rasch eine Entscheidung in Sachen Führung der Wiener ÖVP getroffen werden, um öffentlich ausgetragene Streitereien zu vermeiden.
Als Drittes ÖVP-Problem sieht Hofer, dass die Partei thematisch in der Defensive ist. "Derzeit hat nur die SPÖ vermarkbare Ideen", etwa die Vermögenssteuer, die ÖVP gerate dadurch in die Neinsager-Position. Dies könne man etwa in Sachen Studiengebühren umdrehen. "Die kommen zwar bei den Studenten nicht gut an, aber bei der Bevölkerung – da kann man der SPÖ weh tun", sagt Hofer. Dies wäre eine Möglichkeit für den neuen Parteichef Michael Spindelegger, Stärke und Flagge zu zeigen. "Das sieht man derzeit aber nicht", sagt Hofer, "stattdessen gibt es in der ÖVP einen Hang zum Fatalismus".
Ob die Klubklausur im Salzburgerland für die Volkspartei der erhoffte Befreiungsschlag und Startschuss sein wird, wird sich also zeigen.