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Aus Michael Ludwigs Antrittsrede lassen sich erste Rückschlüsse für den Kurs der neuen Stadtregierung ziehen.
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Wien. Nun ist er an der Spitze - ganz offiziell. Michael Ludwig ist am Donnerstag zum neuen Wiener Bürgermeister gewählt worden. Der vormalige SPÖ-Wohnbaustadtrat Ludwig löst damit Michael Häupl ab, der fast 24 Jahre lang als Bürgermeister die Geschicke der Stadt Wien leitete. Auch die neuen Stadträte wurden in ihr Amt gewählt.
Ludwig erhielt im Gemeinderat 56 von 99 gültigen Stimmen, ein Stimmzettel war ungültig. Damit dürften nicht nur die 54 Mandatare der rot-grünen Stadtregierung in der geheimen Wahl für Ludwig gestimmt haben. Zumindest zwei seiner Wähler dürften aus der Opposition stammen. Das ist überraschend: Die Oppositionsparteien hatten angekündigt, geschlossen gegen Ludwig zu votieren.
Ob dessen "Antrittsrede" die Abweichler überzeugen konnte, wird ein Geheimnis bleiben. Ludwig hatte die Rede bereits vor seiner Wahl gehalten und damit eine Tradition gebrochen. Bisher war es üblich, dass der Bürgermeister das Pult erst nach der Wahl erklommen hat. Er wolle, dass man sich schon vorher ein Bild von ihm machen könne, sagte Ludwig.
Einige Umrisse im Bild der neuen Stadtregierung offenbaren sich durch die Rede auch bereits: So ist zu erwarten, dass Rot-Grün unter Ludwig einen deutlicheren Law-and-Order-Kurs als unter Häupl fahren wird. Das Sicherheitsthema, das weder ein linkes noch rechtes Thema sei, stelle für ihn ein ganz besonderes Anliegen dar, beteuerte Ludwig. "Die Menschen in der Stadt müssen sich an die Hausordnung halten", sagte der neue Bürgermeister. Nur so gelinge ein friedliches Zusammenleben.
Verteidiger des Alkoholverbots
Wien sei nach wie vor eine der sichersten Städte. Doch werde er weiter vom Bund verlangen, dass es "noch mehr Polizisten in der Stadt gibt". Ludwig verteidigte auch das - vom grünen Koalitionspartner kritisierte - Alkoholverbot am Praterstern. "Ich sage es ganz deutlich, das Alkoholverbot am Praterstern ist nicht als alleinige Maßnahme zu sehen." Denn auch die Sozial- und Hilfseinrichtungen seien eingebunden und dort tätig. Er hielt zugleich aber fest: "Wenn ich mich entscheiden muss, ob ich für aggressive Alkoholiker oder für Frauen, die sich nicht wohlfühlen, eintrete, dann brauche ich nicht nachdenken", erklärte Ludwig.
Die zuvor noch regungslos dasitzenden Gemeinderäte der FPÖ applaudierten daraufhin lautstark, was die SPÖ-Mandatare verwirrte. Misstrauisch blickten sie zu den Blauen hinüber, nur zögerlich stimmten manche von ihnen in den Jubel mit ein. Die Politiker der Grünen verharrten hingegen starr in ihren Sesseln.
Anhand dieser Reaktionen zeigte sich: Nicht immer könnte es in der neuen rot-grünen Stadtregierung harmonisch zugehen. Neue Bündnisse scheinen in manchen Themenbereichen möglich. Spekulationen, wonach es bereits im Herbst zu vorgezogenen Landtagswahlen in Wien kommen könnte, trat Ludwig aber entgegen. Es gebe die Koalitionsvereinbarung mit den Grünen: "Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich ein sehr treuer Mensch bin, im Privaten wie im Politischen." Einige Punkte des Abkommens seien bereits erledigt, nun werde man noch offene Vorhaben angehen.
Mehr auf Linie mit seinem Koalitionspartner befand sich Ludwig dann auch mit seiner Ankündigung, in der Seestadt Aspern einen "Campus der Religionen" schaffen zu wollen. "Wir haben die Chance, Religionen zusammenzuführen und Frieden zu schaffen", so Ludwig. Generell wolle er "gestalten statt verwalten, verbinden statt spalten".
Als größte Herausforderung sieht der neue Bürgermeister die Digitalisierung. Diese biete - wie die Industrielle Revolution - große Chancen. Man dürfe aber nicht jene auf der Strecke lassen, die tempomäßig nicht mithalten können. Wien müsse zur "Digi-Hauptstadt Europas" werden.
Ein Schmäh
Einen Schmäh streute der nüchtern auftretende Ludwig dann auch in seine Rede ein - als er sich bei seiner Lebensgefährtin, mit der er verlobt ist und die auf der Zuschauertribune saß, bedankte. "Das Einzige, was uns von der Hochzeit abhält, ist der Termin", meinte er. "Aber ich bin mir sicher, dass ich in den nächsten Monaten mehr Zeit haben werde." Gelächter und viel Applaus im Sitzungssaal.
Während die Opposition Häupl am Donnerstag mit Samthandschuhen anfasste, ging sie mit Ludwig härter ins Gericht. Neos und ÖVP beklagten, dass weder er noch die neuen Stadträte im Vorfeld das Gespräch mit ihnen gesucht hätten. "Schöne Worte, auch gut vorgetragen, alleine teilweise nicht ganz glaubwürdig", so der nicht amtsführende Stadtrat Markus Wölbitsch (ÖVP) zu Ludwig. "Aus meiner Sicht wird sich ein Erfolgsmärchen nicht ausgehen."
Ludwig müsse nun ab dem ersten Tag arbeiten, Schonfrist werde es für ihn keine geben, meinte Neos-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger. Außerdem brauche es ein neues Politikverständnis. "Eine Politik, die so stark auf Freunderlwirtschaft und Machterhalt ausgerichtet ist, wird abgewählt werden", prophezeite sie Ludwig.
Vassilakou setzt Grenze fest
Der freiheitliche Vizebürgermeister Dominik Nepp glaubt nicht an Veränderung durch die neuen Mitglieder der Stadtregierung, die er als "Kabinett von Bonzen und SPÖ-Apparatschiks" bezeichnete. "Sie sind keine Erneuerung, auch ihr Team ist keine Erneuerung", sagte Nepp. Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) hieß Ludwig und ihre neuen Stadtratskollegen dagegen willkommen. Inhaltlich stellte sie klar, was für sie nicht verhandelbar ist. "Die Wiener Mindestsicherung wird nicht angetastet, weil Wien niemanden im Stich lässt."