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Blauer Machtanspruch mobilisiert doppelt

Von Karl Ettinger

Politik

FPÖ-Ansagen in Niederösterreich und Salzburg sollen Protestwählern einen Wechsel suggerieren.


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"Ich trete an, um als Landeshauptmann von Niederösterreich unser Land und unsere Landsleute aus der Krise zu führen." Es ist nicht überliefert, ob Niederösterreichs Humor liebende Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) bei diesem, vom niederösterreichischen FPÖ-Obmann Udo Landbauer am 20. November in einem Video geäußerten Anspruch auf den Landeshauptmannssessel gelacht hat. Der Obmann der blauen 15-Prozent-Partei bei der Landtagswahl 2018 hat der Chefin der mit absoluter Mehrheit regierenden ÖVP online zwei Monate vor der nächsten Wahl am 29. Jänner 2023 den Fehdehandschuh hingeworfen.

Mikl-Leitner muss zwar nach Umfragen mit kräftigen Stimmeneinbußen und dem Verlust der Absoluten rechnen. Aber dass der FPÖ-Chef nach der Wahl Landeshauptmann wird, wäre ähnlich überraschend wie die baldige Abschaffung des Marien-Feiertages am 8. Dezember. Spätestens seit die FPÖ auch mit Bundesparteiobmann Herbert Kickl an der Spitze zumindest in Umfragen um Platz eins auf Bundesebene mitmischt, gibt es für die Freiheitlichen in den Ländern kein Halten mehr.

Salzburgs FPÖ-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl am 23. April 2023, Marlene Svazek, rief am Freitag der Vorwoche bei der Vorstellung der blauen Kandidatenliste ebenfalls einen Dreikampf mit der ÖVP und der SPÖ um Platz eins im Bundesland aus. Dabei war die ÖVP, die mit Wilfried Haslauer den Landeshauptmann stellt, bei der Landtagswahl 2018 mit 37,8 Prozent doppelt so stark wie die drittplatzierte FPÖ mit 18,8 Prozent.

SPÖ hat die Unzufriedenenin Tirol nicht abgeholt

Was den Anspruch Landbauers betrifft, so differenziert Meinungsforscher Günther Ogris vom Sora-Institut: "Das ist eine Aussage, die als Wahlkampf verstanden wird. Andererseits ist die Stimmung für solche Ansagen gut, weil die Unzufriedenheit mit der Bundesregierung absolut vorhanden ist." Daher sei aus FPÖ-Sicht die Ansage, nach der Wahl alles ganz anders zu machen, vernünftig. "Es sind unter den Protestwählern sehr viele, die das gesamte politische System ablehnen", analysiert Ogris: "Diese Stimmen versucht er zu mobilisieren." Die Landes-ÖVP geht hingegen auf Distanz zur unbeliebten Bundesregierung mit ÖVP-Kanzler Karl Nehammer.

Umgekehrt wirkt das auch als Antrieb für die Landes-ÖVP. Sie kann ihre Sympathisanten warnen, dass da neben der SPÖ mit Vizelandeshauptmann Franz Schnabl als zweitstärkster Kraft noch jemand Mikl-Leitner den Chefsessel streitig machen wolle.

Schon bei der Landtagswahl am 25. September in Tirol hat FPÖ-Chef Markus Abwerzger als Chef der bis dahin drittstärksten Partei gegenüber der in Umfragen schwächelnden ÖVP mit Spitzenkandidat Anton Mattle ein "Duell" um Tirol ausgerufen. Mit 18,9 Prozent blieben die Blauen aber meilenweit hinter der ÖVP mit 34,7 Prozent der Stimmen. Das hat laut Ogris vor allem auch deswegen nicht funktioniert, weil die ÖVP und alle anderen Parteien bis auf die SPÖ von vorneherein eine Koalition mit der FPÖ ausgeschlossen haben. Für die ÖVP wirkte das Duell dennoch mobilisierend. Die SPÖ mit Landeschef Georg Dornauer konnte hingegen von der Unzufriedenheit der Tiroler mit der Volkspartei nicht profitieren und musste sich knapp hinter der FPÖ mit Platz drei zufriedengeben. Dornauer habe vor allem im urbanen Bereich die "oppositionelle Stimmung nicht abgeholt", erklärt Ogris.

Der Vergleich mit der Wiener Gemeinderatswahl 2015, als Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache die Wahl zum "Duell" um Wien mit Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) gemacht hat, trifft nur bedingt zu. Denn dass es zu einem SPÖ-FPÖ-Duell um Platz eins komme, sei damals nach Umfragen zumindest "relativ realistisch" gewesen. Das rot-blaue Duell habe jedenfalls 2015 "extrem mobilisiert - auf beiden Seiten", erinnert der Meinungsforscher. Immerhin 70 Prozent hätten nicht gewollt, dass die FPÖ den Bürgermeister stellt.

Was die inzwischen von Kickl offen geäußerten Kanzler-Ambitionen betrifft, so hängt für Ogris viel davon ab, wie die anderen Parteien reagieren. "Wenn eine andere Partei ernsthaft signalisiert, sie will kooperieren, mit der FPÖ, dann macht ihm das eine Tür auf."