Josef Aschbacher, oberster Erdbeobachter der ESA, warnt vor den immer dramatischeren Folgen des Klimawandels.
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Der Österreicher Josef Aschbacher ist für das Direktorat der Europäischen Weltraumagentur ESA mit dem höchsten Budget verantwortlich: Projekte für Erdbeobachtung und Umweltschutz im Ausmaß von 1,6 Milliarden Euro gehen pro Jahr über seinen Tisch. Die Summe kommt zur Hälfte von den ESA-Mitgliedsländern und zur Hälfte von der Europäischen Kommission und der Meteorologie-Organisation Eumetsat. Am 18. März präsentierte der gebürtige Tiroler in der Forschungsförderungsgesellschaft FFG in Wien Industrievertretern die geplanten ESA-Aktivitäten in der Erdbeobachtung. Österreichs Weltraumindustrie besteht aus 120 Unternehmen mit rund 1000 Beschäftigten. Am Rande des Treffens äußerte Aschbacher sich aber auch zur Mondlandung und zum von ESA-Direktor Jan Wörner vorgeschlagenen Monddorf.
"Wiener Zeitung": Die Mondlandung jährt sich am 21. Juli zum 50. Mal. Welchen Eindruck hinterließ der, wie Nasa-Astronaut Neal Armstrong auf den Punkt brachte, "große Schritt für die Menschheit" bei Ihnen als siebenjähriges Kind?
Josef Aschbacher: Die Mondlandung ist eines der Kindheitserlebnisse, die mich am meisten geprägt haben. Ich komme aus Ellmau am Wilden Kaiser, ein Bergdorf in Tirol. Als ältester Sohn von sechs Kindern war ich der vorgesehene Bergbauer, doch ich war sehr wissbegierig. Nach der Mondlandung wollte ich wissen, wie man eine Rakete baut, wie groß und wie schwer sie sei. Meine Eltern konnten meine Fragen nicht beantworten, also kaufte mein Vater ein kindergerechtes Buch für mich über die Mondlandung. Dass Menschen dort herumspazierten, hat mich so sehr fasziniert, dass ich es ergründen wollte. Als ich später die Europäische Raumfahrtagentur ESA kennenlernte, wollte ich wirklich absolut bei der ESA arbeiten.
Wollten Sie Astronaut werden?
Ich habe mich für die Stelle eines österreichischen Astronauten bei der russischen Austromir-Mission beworben, die aber dann Franz Viehböck bekam, der 1991 ins All startete.
Heute sind Sie Direktor für Erd- und Umweltbeobachtung bei der Europäischen Raumfahrtagentur ESA. Wie kamen Sie zum Thema?
Ich studierte am Institut für Metorologie und Geophysik der Universität Innsbruck. Dort wurde Fernerkundung unterrichtet und ich arbeitete schon während des Studiums an Projekten, an denen die ESA beteiligt war.
Welche Alltagsgegenstände gehen auf die Mondlandung zurück?
Die massiven Investitionen von damals flossen auch in neue Programmiersprachen. Das hatte einen positiven Einfluss auf die Computer-, Technologie- und Softwareentwicklung. Die Mondlandung brachte einen enormen Innovationsschub, schuf ein Umfeld, in dem sich die Leute für Technologie interessierten und Apple oder Google erst möglich wurden. Auch die Erdbeobachtung hat profitiert. Die Umweltschutzbewegung der 1970er Jahren ließ sich von Buzz Aldrins Fotos "Earthrise over the Moon" inspirieren. Sie zeigen den Blauen Planeten als fragilen Himmelskörper im Universum.
In der Raumfahrt hat sich viel getan. Nach den Erfahrungen auf der bemannten Raumstation ISS könnte der nächste Schritt eine Raumstation sein, die um den Mond kreist, der übernächste eine Mondbasis. ESA-Generaldirektor Jan Wörner will ab Ende 2019 ein Monddorf errichten. Werden etwa für "Moon Village" bereits alltaugliche Fertigteilhäuser getestet?
Die ESA setzt keinen Architekturplan mit Kirche, Schule und Wohnhäusern um, sondern "Moon Village" ist ein Konzept. Es gibt einen gleichnamigen Verein, bei dem Firmen, Weltraumagenturen und Institutionen aus aller Welt Vorschläge einreichen können. Auch Privatpersonen wie Amazon-Gründer Jeff Bezos, der aus seinem Taschengeld eine Milliarde US-Dollar in den Bau einer Rakete investiert, könnte mitmachen. Was herauskommt, wird so organisiert sein wie auf der Erde: Das Gemeindehaus wird öffentlich, Handel und Industrie werden privat finanziert. Das Interesse gilt unter anderem der Nutzung von Rohstoffen auf dem Mond, um ins All vorzudringen. Die Umsetzung wird jedoch viele Dekaden dauern. Allein das US-Weltraumbudget beträgt heute ein Achtel von jenem im Vorfeld der Mondlandung.
Was ist der nächste, sagen wir: handfeste Schritt weiter ins All?
Heuer im Herbst wollen die Mitgliedsstaaten beim ESA-Ministerrat ihren Beitrag zur federführend amerikanischen Mission "Lunar Gateway" beschließen. Dabei handelt es sich um einen Außenposten der Internationalen Raumstation ISS rund um den Mond. Das Ziel ist, Roboter und später auch Menschen zum Mond und weiter zum Mars zu schicken.
Auch über die Zukunft des Erdbeobachtungsprogramms Copernicus soll entschieden werden. Seine Sentinel-Satelliten sammeln Daten zu Meerestemperatur, Ozon-Verteilung, Eisschichten und der Auswirkung der menschlichen Aktivitäten auf die Erdprozesse. Was ist für die nächsten drei Jahre geplant?
Copernicus 1 wurde vor 20 Jahren definiert. Damals lagen die Prioritäten bei Landwirtschaft und Ozeanografie. Im November schlage ich die nächste Finanzierungsstufe (von 2,4 Milliarden Euro, Anm.) vor. Die Mitgliedsländer haben die Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens priorisiert. Um die Erdtemperatur auf 1,5 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts begrenzen zu können, muss diese nächste Satelliten-Generation messen, wie viel Kohlendioxid ausgestoßen wird, wie es sich global verteilt und wo die Quellen und Senken sind. Ein zweiter Schwerpunkt ist Afrika. Um Abwanderung zu verhindern, muss es dort Nahrungsmittel und Wasservorräte geben. Das geht nicht ohne Informationen zum Zustand vor Ort, auf denen Entwicklungsprognosen aufbauen. Von Brisanz ist auch die Arktis. Durch das Abschmelzen des Eisschildes öffnen sich neue Seewege. Das hat enormen Einfluss auf die Regionen, territoriale Ansprüche werden erhoben.
Kritiker sind der Ansicht, dass man weniger Geld für Weltraum-Technologie und Raumfahrt und mehr Geld zur Bekämpfung der Probleme hier auf der Erde aufwenden sollte. Wie viel geben wir wirklich aus?
In Europa liegen die realen Ausgaben für die Raumfahrt bei 20 Euro pro Kopf und Jahr. Ich halte das für überschaubar.
Sie sind in der Natur aufgewachsen. Heute sehen Sie zu, wie die Polarkappen schmelzen und der Regenwald schrumpft. Wie geht es Ihnen dabei?
Schlecht. Es ist ein Drama und das Tragischste ist, dass wir diese Änderungen mit Bildern und Zahlen belegen, aber Politiker trotz Kenntnis der Fakten leugnen, dass ein Klimawandel stattfindet, für den der Mensch verantwortlich ist. Deswegen sind die Schüler-Demonstrationen "Fridays for Future" zum Stopp des Klimawandels so wichtig. Die Jugend tritt massiv auf und sagt: Wir müssen unseren Planeten erhalten, wir können nicht akzeptieren, wie es derzeit gemacht wird, und ihr Alten seid unverantwortlich. Neuesten Abschätzungen zufolge wird der Meeresspiegel am Ende des Jahrhunderts um 1,70 Meter höher sein als heute, das ist Menschengröße. Häuser an der Küste werden unter Wasser stehen, Afrika wird noch trockener sein. Laut Europäischer Umweltagentur leben die EU-Bürger aufgrund der Luftverschmutzung zwei Jahre kürzer. Die Kinder haben all dies erkannt.
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