Die FPÖ profitiert von Verlusten der ÖVP. Sie erklimmt Platz zwei und erreicht historisch bestes Ergebnis.
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Mit rund 24,3 Prozent erreichte die FPÖ am Sonntag ihr historisch bestes Ergebnis bei einer niederösterreichischen Landtagswahl. Und zwar mit Abstand. Bisher war der Spitzenwert bei 16,1 Prozent im Jahr 1998 gelegen. "Wir haben die Themen angesprochen, die die Wähler bewegen, das ist der Schlüssel zum Erfolg gewesen", sagte FPÖ-Landesparteiobmann Udo Landbauer. FPÖ-Chef Herbert Kickl sprach von einem "fulminanten Abschneiden".
Im Vergleich zur Landtagswahl 2018, als die FPÖ auf 14,8 Prozent kam, steigerten sich die Blauen laut Sora/ORF-Hochrechnung um 9,5 Prozentpunkte. Bisher hatten sie im niederösterreichischen Proporzsystem mit Gottfried Waldhäusl nur einen Landesrat in der Landesregierung gestellt. Künftig besitzen die Blauen jedenfalls zwei Landesräte (der dritte Landesrat war am Abend wahrscheinlich, aber noch unsicher).
Die kräftigen Zugewinne der Blauen werden neben Landbauer auch Bundesparteichef Kickl parteiintern stärken. Er wird den Wahlerfolg als Bestätigung seines Kurses verkaufen. Anders als die oberösterreichische FPÖ, deren Parteispitze sich inhaltlich und rhetorisch gemäßigter als Kickl gibt, folgt Landbauer strikt streng dessen Linie. Im Wahlkampf rief er das Jahr 2023 zum "Jahr der Abschiebungen" aus und forderte einen "Asylstopp". Im "Standard" stellte er sich gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, die in Österreich im Verfassungsrang steht. Die Corona-Maßnahmen der türkis-grünen Bundesregierung bezeichnete er als "Corona-Regime", welches die Freiheitlichen zerschlagen hätten.
Günstige Ausgangslage
Diese harschen Ansagen fielen in einer für die FPÖ äußerst günstigen Gemengenlage. Die oberösterreichischen Blauen hatten noch bei der Landtagswahl 2021 mit zahlreichen Hürden zu kämpfen und stürzten von 30,4 Prozent auf 19,8 Prozent ab. Die Asylzahlen waren damals noch vergleichsweise niedrig, das Migrationsthema wurde von der Pandemie verdrängt. Die Freiheitlichen hatten noch nicht das Monopol auf die Corona-Maßnahmenkritik gepachtet, die MFG fischte im selben Teich und zog dann auch in den Landtag ein. Die Volkspartei stand trotz erster Turbulenzen unter Kanzler Sebastian Kurz im Bund noch sehr solide da.
Mittlerweile hat sich die MFG als "One-Hit-Wonder" erwiesen, Kurz ist als Kanzler Geschichte und das Migrationsthema aufgrund hoher Asylzahlen wieder mit aller Wucht zurück. Hinzu kamen im Wahlkampf Vorwürfe gegen Niederösterreichs ÖVP wie ungebührliche Einflussnahmen auf das ORF-Landesstudio und unzulässige Inseratenschaltungen in ÖVP-nahen Medien.
Im Bund versucht die ÖVP zwar, mit restriktiven Ansagen und Maßnahmen wie der Schengen-Blockade Rumäniens und Bulgariens das Abfließen rechter Wähler zur FPÖ zu verhindern. Das gelingt ihr unter Kanzler Karl Nehammer aber nicht, wie die Umfragen und nun die Landtagswahl zeigen. Von der Schwäche der ÖVP konnten die Blauen profitieren, während die SPÖ sogar Stimmen verlor.
Frage der Koalition
Für Landbauer sind die Zugewinne ein persönlicher Erfolg, denn seine politische Karriere stand nach der Landtagswahl 2018 noch vor dem Aus. Unmittelbar vor der Wahl tauchte die NS-Liederbuchaffäre der Burschenschaft Germania in Wiener Neustadt auf, der Landbauer angehörte. Er legte kurz darauf alle politische Funktionen zurück, nach dem August 2018 kehrte er als Landesparteichef und Klubobmann zurück.
Mögliche interne Konflikte etwa zwischen Landbauer und dem bisherigen FPÖ-Landesrat Waldhäusl in der Landespartei könnten durch die Zugewinne und das Proporzsystem einfacher zu vermeiden sein. Denn nun sind mehr Posten zu verteilen. Sogar zwei Landesräte dürften die Blauen hinzugewinnen.
Der harsche Kurs der FPÖ und die oft persönlichen Angriffe des freiheitlichen Spitzenpersonals auf die politische Konkurrenz könnten sich für die Blauen aber als zweischneidiges Schwert erweisen. Sie tragen zwar zur Wählermaximierung bei, könnten aber künftige Koalitionsbildungen auf Länder- und Bundesebene erschweren. Zumal auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen, den Kickl mehrfach persönlich angegriffen hat, öffentlich an der Kanzlertauglichkeit des FPÖ-Chefs zweifelt.
FPÖ-Urgestein Andreas Mölzer verortete die Freiheitlichen im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" in einem "strategischen Dilemma": Einerseits sei es notwendig, einen scharfen Oppositionskurs zu fahren, anderseits werde die Partei dadurch zu einem Außenseiter.