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Regieren ist ein Rendezvous mit der Realität. Das Bonmot stammt vom CDU-Schwergewicht Wolfgang Schäuble und passt trefflich auf all die Luftschlösser und Sandburgen, die Parteien und Politiker so gerne errichten, solange sie nicht für die Folgen geradestehen müssen. Ein Impfstoff gegen diese Versuchung existiert nicht, weshalb grundsätzlich alle Parteien und politischen Religionen dafür anfällig sind.
Der FPÖ steht ein solches Date mit der Wirklichkeit unmittelbar bevor. Dabei ist es noch die vergleichsweise leichtere Übung, langjährige Forderungen abzuräumen. Ein unwilliger Partner ist dafür die beste Ausrede. Und es stimmt ja auch, dass in einer Koalition keine Seite alle ihrer Anliegen vollständig umsetzen kann.
Weitaus schwieriger wird es, wenn symbolische Politik zu harter Form geronnen ist. Die Mitgliedschaft der FPÖ in der hart am äußersten rechten Rand segelnden EU-Fraktion "Europa der Nationen und der Freiheit" ist so ein Fall.
Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass die FPÖ - etwa aus Lust an der Provokation und um die Stimmen der überzeugten EU-Gegner zu locken - immer nur mit einem Austritt aus der EU oder aus der Eurozone spielte, einen solchen aber nie wirklich anstrebte. Vor allem, weil es weder für das eine noch für das andere zu irgendeinem Zeitpunkt eine Mehrheit der Bürger dafür gegeben hat und gibt; aber auch, weil die vernünftigen Kräfte immer schon um die verheerenden politischen und wirtschaftlichen Folgen eines solchen Schrittes für Österreich wussten.
Und trotzdem hat sich die FPÖ in die Gesellschaft einer Handvoll Parteien begeben, die die EU in ihrer derzeitigen Form abwickeln wollen. Nicht nur irgendwie rhetorisch, sondern quasi mit Mitgliedsausweis.
Jetzt, als künftige Regierungspartei, die aller Voraussicht nach sogar die Außenministerin stellt, wird diese Mitgliedschaft zu einer schweren politische Hypothek. Formal ist es natürlich irrelevant, welcher EU-Fraktion die FPÖ angehört, aber entweder sie bleibt dort auf Linie, dann ist die Koalition mit der ÖVP Geschichte, bevor sie noch angefangen hat, oder sie stimmt beharrlich gegen ihre eigene Fraktionslinie. Das wäre lächerlich an der Grenze zur Schizophrenie.
Über kurz oder lang wird sich die FPÖ also wohl eine neue, gemäßigtere Fraktion im EU-Parlament suchen. Einfach weil es, in politischen Kosten gerechnet, die günstigste Lösung ist.