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Blaupause aus Brüssel

Von Walter Hämmerle

Politik

Über eine völlige Neuordnung der Ministerien wird in Österreich seit langem diskutiert. Jetzt könnte sie kommen.


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Wien. Die Ministerialbürokratie Österreichs ist eine unerschöpfliche Fundgrube, aus der sich sogar die Literatur gerne und üppig bedient. Jörg Mauthe widmete dem Sektionschef Tuzzi aus Robert Musils epochalem Roman "Der Mann ohne Eigenschaften" ein eigenes Buch: "Die große Hitze". Rettung und Erlösung ereilt, wenn überhaupt, dieses Land vor allem durch seine Beamtenschaft. So will es ein beharrlicher Mythos, der sich von der Monarchie über die Erste in die Zweite Republik hinübergerettet hat.

Ist es da zu viel verlangt, dass die Bürger über die eine oder andere Marotte ihrer Staatsdiener großzügig hinwegsetzen? Etwa die verwinkelten Aktenläufe, das schwer leserliche und noch schwerer zu verstehende Juristendeutsch der Beamten, eine Aura der Unnahbarkeit im Umgang mit uns einfachen Menschen, die Hartnäckigkeit, mit der auf Traditionen beharrt wird, auch und vor allem in dienstrechtlichen Angelegenheiten; die kafkaeske Lust, scheinbar Einfaches kompliziert darzustellen?

Natürlich nicht! Zumal, wenn man bedenkt, dass dieser Staat nicht zuletzt dank seiner Beamten zumeist verlässlich wie ein Uhrwerk funktioniert.

Politisch aufgeteilt, was eigentlich zusammengehört

Genauso wahr ist allerdings: Österreichs Ministeriumsstruktur atmet die Erinnerung an die Monarchie, das Trauma des Bürgerkriegs und das wechselseitige Misstrauen der beiden traditionellen Regierungsparteien SPÖ und ÖVP. Materien, die eigentlich zusammengehören, sind deshalb auf unterschiedliche Ministerien aufgeteilt, um nicht zu viel Macht in der Hand eines Ministers zu bündeln beziehungsweise beiden Parteien eine Mitsprache- und Vetomöglichkeit in wichtigen Belangen einzuräumen. Das ist etwa bei den Bildungsagenden und vor allem bei der Forschung der Fall. Die Defizite sind altbekannt: Der Rechnungshof kritisierte 2016 den heimischen "Förderdschungel" und belegte das mit Zahlen: Es gibt demnach 216 für Forschungsförderung zuständige Organisationen und 24 Förderagenturen.

Neben der Zersplitterung von Kompetenzen kritisieren Experten aber auch den umgekehrten Fall: zu viel Macht in den Händen Einzelner. So hält etwa der Verwaltungsforscher Wolfgang Gratz die erheblichen Mitwirkungsrechte vor allem des Bundeskanzleramts und des Finanzministeriums für nicht mehr zeitgemäß, zumal mit dem neuen Budgetrecht auch die Verantwortlichkeit und Planungshoheit der einzelnen Ressortverantwortlichen eigentlich gestärkt werden sollte. Auch verfassungsrechtlich gilt in Österreich das Prinzip der Ressortverantwortlichkeit.

Aus partei- und machtpolitischer Perspektive sind diese Mitsprachebefugnisse jedoch relevant, sichern sie doch dem jeweiligen Kanzler und Finanzminister Einfluss über deren engeren Zuständigkeitsbereich hinaus. Vielleicht haben deshalb die bisherigen Kanzler gar nicht so heftig auf eine Richtlinienkompetenz gedrängt, wie sie ihre deutschen Kollegen besitzen.

Von Wahlgewinner Sebastian Kurz heißt es nun, er überlege eine grundlegende Neuordnung der Ministeriumskompetenzen und nicht bloß das Verschieben einzelner Bereiche, wie es bisher der Fall war. Details zu solchen Überlegungen des ÖVP-Obmanns sind öffentlich nicht bekannt. Aber es gibt eine Blaupause auf EU-Ebene, an der sich eine sinnvolle Neuausrichtung orientieren könnte (siehe Grafik). Diese Räte, die von den 28 Mitgliedstaaten der Union mit den jeweiligen Ministern oder Staatssekretären beschickt werden, üben - gemeinsam mit dem Europäischen Parlament - die Rechtssetzung in der Union aus.

Der Europäischen Union genügen zehn Räte

Die EU findet dabei mit neun thematischen Räten und einem für Allgemeine Angelegenheiten das Auslangen. Politisch sind einige Kompetenzkombinationen allerdings durchaus heikel: Dass etwa Justiz und Inneres in einem Ministerium zusammengefasst werden, würde für Österreich einen Tabubruch bedeuten. Aus rechtsstaatlicher Sicht können Justiz und Inneres nicht in einer Hand liegen. Ähnliches gilt auch für die innere und äußere Sicherheit, wobei hier vor allem historische Gründe vorgebracht werden: 1934 setzte die Dollfuß-Regierung das Militär gegen die aufständische Sozialdemokratie ein.

Von solchen Besonderheiten einmal abgesehen, bietet die Struktur der EU-Räte sehr wohl einige sinnvolle Anregungen für eine künftige Ministeriumsstruktur. Dann müssen sich die künftigen Partner nur noch auf die Anzahl und die Verteilung einigen.

Und dann gibt es noch die Frage der internen Organisation der Ministerien. Es ist ein offenes Geheimnis, dass etliche über eine Organisationsstruktur verfügen, die noch nicht wirklich im 21. Jahrhundert angekommen sind.

Übrigens: Die Einteilung der Ministerien samt Aufgabenverteilung ist in Österreich durch das Bundesministeriengesetz geregelt. Für Änderungen genügt die einfache Mehrheit der Abgeordneten.