Wer sich an Programm beteiligt, soll nur die Hälfte des Selbstbehalts zahlen.
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Wien. Ein gesunder Lebenswandel lohnt sich - für Selbständige bald auch finanziell. Wer sich an einem bestimmten Vorsorgeprogramm beteiligt, dem soll künftig die Hälfte des Selbstbehalts erlassen werden. Einen entsprechenden Plan präsentierten die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) und die Ärztekammer am Mittwochabend in Wien.
Dass dabei SVA-Obmann Christoph Leitl und Ärztekammer-Präsident Walter Dorner einträchtig an einem Tisch saßen, ist nicht selbstverständlich. Noch im Vorjahr hatten sich Kammer und SVA heftig befetzt. Das Ganze mündete sogar in einem kurzfristigen vertragslosen Zustand. Die Sozialversicherungsanstalt forderte damals eine deutliche Beitragssenkung, wozu die Ärzte nicht bereit waren. Geeinigt hat man sich nun stattdessen auf eine Leistungserhöhung, wie Leitl erklärte, und zwar im Bereich der Gesundheitsvorsorge.
Selbständigen, die im Rahmen eines neuen Programms bestimmte mit dem Hausarzt vereinbarte Gesundheitsziele erreichen, wird die Hälfte des 20-prozentigen Selbstbehalts erlassen. Die Gesundheitsziele umfassen die fünf Bereiche Blutdruck, Gewicht, Bewegung, Alkohol und Tabak, in denen entweder eine Verbesserung eintreten oder ein guter Zustand zumindest beibehalten werden soll. Dabei wird mit dem Arzt ein Ist-Zustand festgestellt, den es zu verbessern gilt. Nach sechs Monaten wird kontrolliert, ob die Ziele erreicht sind. Ist dies in allen fünf Bereichen der Fall, kann eine Reduktion des Selbstbehalts beantragt werden. Diese verlängert sich, wenn die positive Entwicklung auch bei Nachfolgeuntersuchungen nach zwei oder drei Jahren festgestellt wird.
Eine Frage des Vertrauens
Während Blutdruck und Gewicht relativ leicht kontrollierbar sind, sind die Ärzte bei Bewegung, Alkohol und Tabak auf die Ehrlichkeit der Patienten angewiesen. "Es gilt die Unschuldsvermutung", erklärte der Chef der niedergelassenen Ärzte, Günther Wawrowsky. Aus seiner Erfahrung als Arzt wisse er aber, ob ein Patient ehrlich sei oder nicht. Vor allem beim Rauchen soll es aber kein Pardon geben, denn bei diesem gebe es - etwa im Gegensatz zu mäßigem Alkoholkonsum - keinerlei positive Wirkung.
Das freiwillige Programm startet mit 1. Jänner. Im Juli stehen dann die ersten Kontrolltermine an, ab August können sich die ersten Selbständigen über einen halbierten Selbstbehalt freuen.
SVA-Obmann Leitl spricht von einem "revolutionären Schritt": "Wer aktiv vorsorgt, erhält einen 50-prozentigen Bonus." Das Programm sei ein "Service, damit unsere Versicherten gesund und leistungsfähig bleiben" - für Selbständige "eine essenzielle Notwendigkeit".
Diesen Service lässt sich die SVA auch einiges kosten. Im ersten Jahr seien 2,5 Millionen Euro dafür veranschlagt, wobei die SVA von einer 20-prozentigen Teilnahme der bei ihr versicherten rund 700.000 Selbständigen ausgeht, wobei man keinerlei Vergleichszahlen habe, weil das Programm völlig neu sei, so SVA-Vizeobmann Peter McDonald. Daher will die SVA das Programm auch wissenschaftlich begleiten. Ausgenommen sind übrigens Beitragsbefreite und mitversicherte Kinder.
Anfragen aus Deutschland
Zufrieden mit dem neuen Vorsorgeprogramm zeigte sich auch Ärztekammer-Präsident Dorner und er äußerte die Hoffnung, "dass unser Weg Schule machen wird". Tatsächlich gibt es laut Leitl schon Anfragen von Gesundheitslandesräten und dem deutschen Gesundheitsminister Daniel Bahr.
In der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) beobachtet man das SVA-Anreizsystem "mit Interesse", wie Johannes Trauner, Leiter der Medienstelle, zur "Wiener Zeitung" sagt. Allerdings halte man das eigene System für besser. Dieses sieht vor, dass aus sozialen Gründen der Selbstbehalt nicht nur für ärztliche Leistungen, sondern auch für die Rezeptgebühr gänzlich gestrichen werden kann.