Beim UNO-Weltgipfel in Johannesburg stehen aus Sicht der österreichischen Regierung die Themen Klima, Energie, Wasser, Erhaltung der Bergregionen, Landwirtschaft und Armutsbekämpfung auf der Agenda. Als Klammer fungiert der Begriff "Nachhaltigkeit". Umweltminister Wilhelm Molterer und seine Kollegen Außenministerin Benita Ferrero-Waldner und Wirtschaftsminister Martin Bartenstein sprechen von einer "Konferenz der Chancen". Umweltschutzorganisationen vermissen die Vorreiterrolle, in welcher sich Österreich gerne präsentiert, und kritisieren die "Worthülse Nachhaltigkeit".
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"Ohne Elektrizität kommt man nicht aus der Armutsfalle." Wirtschaftsminister Bartenstein sieht einen ursächlichen Konnex zwischen Energieversorgung und Armutsbekämpfung, betonte er bei der gestrigen Pressekonferenz mit seinen beiden Kollegen. Es sei daher wichtig, den Entwicklungsländern beim Ausbau der Stromversorgung zu helfen. In Hinblick auf Schadstoffemissionen, die auch bei der Stromproduktion entstehen können, empfiehlt er das Hauptaugenmerk auf Alternativenergie vorzugsweise aus Biomasse, Windkraft und Solaranlagen zu richten: "Das erspart dann zwei Millionen Tonnen Treibhausgase pro Jahr."
Österreich präsentiert er in diesem Zusammenhang als Musterland in Sachen erneuerbarer Energieträger: "Das Ökostromgesetz ist ein Meilenstein auf diesem Weg."
Lieblingswort Nachhaltigkeit
Doch neben der Energieversorgung steht auch der Welthandel im Zentrum von Bartensteins Überlegungen. Für die Kollegen Molterer und Ferrero-Waldner hat der faire Handel eine wesentliche Bedeutung. Österreich habe sich in diesem Bereich sowie bei der Entwicklungszusammenarbeit als Vorreiter erwiesen. Im Brennpunkt steht auch das Wasser. Es sei zentrales Ziel, die Wasserversorgung in den Entwicklungsländern auszubauen und gleichzeitig für die Abwasserentsorgung zu sorgen. Molterer führt vor allem massive Eigeninteressen an, warum die Erste Welt die Dritte unterstützen muss: "Es geht darum die Ressourcen der Welt langfristig zu sichern". In Verbindung mit all den Themen verwenden die Ressortchefs mit Vorliebe den Begriff "Nachhaltigkeit". Er entwickelt sich zur alles umfassenden Klammer, auch wenn jeder vermeidet, ihn näher zu definieren.
Taten sollen auf Worte folgen
Und eben dieser Umstand sorgt bei Umweltschutz- und Entwicklungshilfeorganisationen für Unmut und Kritik. So wirft etwa die Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz (KOO) der Regierung vor, Johannesburg mit einer "Präsentationsmesse" zu verwechseln. Dabei sollte es am Weltgipfel um die Lösung des brennendsten Problems gehen: Kampf gegen die weltweite Armut. "Ferrero-Waldner nennt die Armutsbekämpfung zwar eine Priorität, legt aber keinerlei Umsetzungs- und Zeitpläne vor". erklärt KOO-Sprecherin Judith Zimmermann. Doch die KOO verlangt von der Regierung nicht nur Willensäußerungen sondern vielmehr Konkretes: So solle endlich die Entwicklungshilfe auf die versprochenen 0,7 Prozent des BIP angehoben werden. Derzeit stehe Österreich nämlich erst bei mageren 0,23 Prozent.
Auch der WWF Östereich konstatiert in den Aussagen der Regierungsvertreter eine Kluft zwischen Worten und Taten. "Angeblich hat Österreich seine Prioritäten in den Bereichen Energie, Wasser, Bergentwicklung und Armutsbekämpfung, Doch die umweltpolitische Vorreiterrolle, die propagiert wird, suchen wir seit Jahren in allen diesen Bereichen vergebens," betont Stefan Moidl, Umweltschutz-Experte des WWF. Der nationale Beitrag zur Umsetzung der geforderten "Nachhaltigkeitsziele" bleibe aus. Unter Beschuss kommt die heimische Klimaschutzpolitik. "Wir sind gerade dabei, das verpflichtende Kyoto-Ziel - das eine Reduktion des Schadstoffausstoßes um 13 Prozent vorsieht - weit zu verfehlen." Aus diesem Grund besteht für Moidl der Beitrag Österreichs zum Nachhaltigkeitsgipfel "in nicht viel mehr als Worthülsen". Ähnliche Kritik kommt von den Grünen: Österreich hat sich von seiner ehemaligen Vorreiterposition in Umweltfragen verabschiedet, so die stv. Bundessprecherin Eva Glawischnig.
Gipfel auf der Kippe
Doch nicht allein Österreichs Position wird kritisch kommentiert. Für die außenpolitische Sprecherin der Grünen Ulrike Lunacek besteht die Gefahr, dass in Johannesburg lediglich unverbindliche Absichtserklärungen verabschiedet werden: "Aus unserer Sicht ist der Gipfel auf der Kippe." Als Schlussdokument gebe es ein neues Kopromisspapier, darin wurden sämtliche verbindliche Ziele wie der Abbau von Handelsschranken oder die Einrichtung einer UN-Umweltbehörde als Gegengewicht zur Welthandelsorganisation (WTO) wieder entfernt. Verantwortlich seien die Industrienationen, die sich weigerten, die eigenen Beschlüsse früherer Treffen auch umzusetzen.
Von einem zähen Ringen der Verhandler berichtet auch Judith Zimmermann: "Es hat den Anschein, dass die Industrieländer, angeführt von den USA und der EU, hinter verschlossenen Türen einen Deal gegen die Länder des Südens aushandeln." Allein in den Bereichen Finanzen und Handel kam es zur Einigung. Inhaltlich habe man sich jedenfalls von der ursprünglichen Agenda weit entfernt. "Besorgniserregend ist, dass in der Schlussdeklaration die negativen Auswirkungen der Globalisierung für die Länder der Dritten Welt keine Erwähnung finden." Die Reduktion der Exportsubventionen für den Norden, die sogar in der Deklaration von Doha der WTO verankert ist, werde in Johannesburg nicht einmal gestreift. Unter den Entwicklungsländern und den NGOs sorge gerade diese Tatsache für große Enttäuschung, "werden so doch die Ungerechtigkeiten des Weltwirtschaftssystem nicht beseitigt, obwohl sie für das Entstehen von Armut hauptverantwortlich sind."