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Blick hinter die Kulissen Nordkoreas

Von Walter Hämmerle

Politik

Medien zeichnen Zerrbild vom Alltag in Nordkorea. | Trialog von "WZ", Management Club und GPK. | Wien. Seinen Platz auf der "Achse des Bösen" (copyright US-Präsident Bush) hat Nordkorea sicher. In westlichen Medien erfährt man kaum etwas über das Alltagsleben in dem bitterarmen Land im Norden der koreanischen Halbinsel. Man begnügt sich mit Hilfsbegriffen wie "Steinzeit-Kommunismus", "letzter stalinistischer Diktatur" und allerlei skurrilen Details über das Regime von Kim Jong Il, der angeblich Plateauschuhe trägt, ausschließlich per Zug reist und schwedische Frauen sowie französischen Cognac bevorzugt.


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Das Leben der 23 Millionen Menschen hat mit diesem Bild allerdings herzlich wenig zu tun, davon sind die beiden Kommunikationsexperten Hans Bachmann ("Communication in Flow") und Thomas Plötzeneder (DDWS) überzeugt, die die rare Gelegenheit hatten, das abgeschottete Land unter allgegenwärtiger staatlicher Aufsicht zu bereisen. Über ihre Eindrücke berichteten sie beim Trialog von Management Club, "Wiener Zeitung" und GPK.

Ja, es handle sich um ein diktatorisches Regime, aber weder das Regime noch die Bevölkerung verfolge eine aggressive Politik nach außen. Das Nordkorea nun offensichtlich im Besitz von Atomwaffen ist, werde von der Bevölkerung mit "einem großen Seufzer der Erleichterung" aufgenommen, ist Bachmann überzeugt. Die Bombe habe allein den Zweck, die eigene Sicherheit zu gewährleisten. Vor allem die USA würden - vor dem Hintergrund der Erlebnisse aus dem Korea-Krieg, als das Land mit US-Bomben übersät wurde - als Bedrohung wahrgenommen.

Der Alltag selbst sei längst nicht so trist, wie allgemein angenommen. Allerdings hatten die Besucher aus Österreich nicht die Möglichkeit, in den Norden des Landes, indem anscheinend Hunger herrsche, zu reisen. Die Jugend kleide sich farbenfroh, augenscheinliche Armut ist zumindest in der Hauptstadt nicht zu sehen.

Das Bemühen des Regimes, die Mobilität der Bürger weitgehend zu unterbinden, hat dazu geführt, dass zwar zehnspurige Autobahnen in die Metropole münden, es im ganzen Land allerdings nur 1800 Pkws gebe. Beleuchtung in der Stadt gibt es aufgrund des allgegenwärtigen Energiemangels nicht. Die Besucher des mit 160.000 Sitzen weltgrößten Stadions - bei den Massenchoreographien wirken bis zu 60.000 Akteure mit - müssen ohne Licht und zu Fuß den Heimweg antreten.

Dennoch beginnen bereits erste kapitalistische Pflänzchen in den wenigen existierenden Sonder-Industriezonen zu sprießen - ein Entwicklungsansatz, der durchaus ausbaufähig sei, um so das Land schrittweise für Einflüsse von außen zu öffnen, sind Bachmann und Plötzeneder überzeugt. Sanktionen gegen das Regime halten beide für wirkungslos, da es diese de facto ohnehin bereits seit den 50er Jahren gebe. Stattdessen sollten die Wirtschaftskontakte ausgebaut statt abgebaut werden.

Ein Zusammenbruch des Regimes nach dem Beispiel der DDR ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Stimmt der Reise-Eindruck, so ist die Bevölkerung zum Regime weitgehend loyal, zumal es die aus Osteuropa bekannte Bonzenmentalität der Eliten offensichtlich nicht gibt. Zu funktionieren scheint auch eine medizinische Grundversorgung - diesen Schluss zieht Plötzeneder aus seiner Beobachtung ausnehmend gesunder Gebisse. Hier dürfte allerdings auch der Zuckermangel eine Rolle mitspielen.