Die Nano-Endoskopie wirft | allerdings auch viele neue Fragen auf.
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Wien. Ein neu entwickeltes Nano-Endoskop erlaubt es Forschern, in lebende Zellen hineinzublicken, ohne diese zu zerstören. Ein Nanodraht mit einer Stärke von 100 bis 250 Nanometern - tausendfach dünner als ein menschliches Haar - ermöglicht es, leicht durch die Zellwand zu stoßen, gezielt einzelne Bestandteile anzusteuern und die biologischen Prozesse im Inneren zu untersuchen, berichten kalifornische Wissenschafter im Fachmagazin "Nature Nanotechnology".
Bisherige optische Systeme für diesen kleinen Maßstab würden die beobachteten Zellen oftmals beschädigen, betont Studienleiter Peidong Yang vom Lawrence Berkeley National Laboratory in Kalifornien. Nun sei es jedoch möglich, schonend zu arbeiten.
Zudem können mittels dieses Nano-Endoskops gezielt und sehr rasch Substanzen in das Zellinnere eingeschleust werden. Dazu befestigten die Forscher wenige Nanometer kleine Atomstrukturen, sogenannte Quantenpunkte, an der Spitze des Drahts. Das solcherart beladene Endoskop führten sie in eine Zelle ein. Nach der Bestrahlung mit UV-Licht wurden die Quantenpunkte innerhalb von einer Minute an den gewünschten Orten abgelagert.
"Bisherige Transportsysteme haben den Nachteil, dass sie 20 bis 30 Minuten benötigen, bis ihre Ladung am Ziel ist", schreiben die Wissenschafter. Zudem eignet sich das Endoskop sogar dazu, unterschiedliche Milieus in unterschiedlichen Zellbereichen - wie etwa den pH-Wert - zu messen.
Margit Pavelka, Leiterin des Zentrums für Anatomie und Zellbiologie der Medizinuni Wien, spricht im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" von einer "faszinierenden, zukunftsweisenden Neuentwicklung für die Zellbiologie und Zellpathologie", die aber auch viele neue Fragen aufwerfe. Die Untersuchung von lebenden Zellen sei eine der größten Herausforderungen des Fachgebiets.
Mit dem Elektronenmikroskop etwa kann man zwar eine wesentlich höhere Bildauflösung erreichen, aber die Zellen müssen, indem sie chemisch fixiert oder unter Hochdruck eingefroren werden, in ihren Lebensabläufen unterbrochen und damit immobilisiert, quasi abgetötet, werden. Damit ergibt sich nur ein Schnappschuss aus dem dynamischen Gebilde. Die Lichtmikroskopie wird wiederum bei lebenden Zellen angewendet, es können Teile markiert werden, um etwa den Weg von Zellprodukten an die Oberfläche beobachten zu können. Es lassen sich aber keine Details der feinen und komplexen intrazellulären Architekturen erkennen.
Zellverhalten im Gewebe
Während die kalifornischen Forscher darauf pochen, dass die Zellen bei dem Verfahren nicht beschädigt werden, äußert sich die Wiener Wissenschafterin hier jedoch vorsichtiger. Die Nanodrähte seien zwar extrem dünn, aber im Vergleich zu einzelnen Zellbestandteilen immer noch sehr dick. Die Dicke zellulärer Membranen liegt in der Größenordnung von sechs bis zehn Nanometern. Beim Einführen in die Zelle würden die Membran und intrazelluläre Membranelemente durchstoßen. Ob hier quasi eine Verletzung entsteht, also Veränderungen, die wiederum das Bild beeinflussen, sei noch weiter zu untersuchen, so die Zellbiologin.
Allgemein dürfe die Untersuchung von kultivierten Einzelzellen - egal ob lebend oder tot - nie isoliert betrachtet werden. Denn außerhalb des Körpers würden sich Zellen mitunter anders verhalten als im lebenden Gewebe. Man versucht zwar in der Forschung, so nahe wie möglich an im Organismus arbeitende Zellen heranzukommen, das stellt sich bei näherem Hinsehen aber oft als schwieriges Unterfangen heraus. Bei den Untersuchungen "wird oft die Dynamik der Zelle vergessen, was aber das Leben grundsätzlich bestimmt", betont Margit Pavelka.